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Sprachkünstlerin Kinga Tóth zu Gast in Villa Waldberta und Lyrik Kabinett

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Kinga Tóth © Borbala Zergi

Die ungarische Dichterin und Performerin Kinga Tóth wird als erste Lyrikerin mit der heuer beginnenden gemeinsamen Lyrik-Residency der Villa Waldberta (Landeshauptstadt München) und der Stiftung Lyrik Kabinett ausgezeichnet. Im Mai und Juni 2021 wird sie zwei Monate in der Villa Waldberta wohnen und in der Bibliothek des Lyrik Kabinetts an ihrem Projekt „Mariamachina“ arbeiten. Die Ergebnisse präsentiert sie am 14. Juni 2021 um 20 Uhr bei einer Lesung im Lyrik Kabinett (je nach Situation analog oder digital).

Auf die erstmalige Ausschreibung der Residency waren mehr als sechzig Bewerbungen eingegangen, davon die Hälfte von internationalen Lyrikerinnen und Lyrikern. „Ich danke der Villa Waldberta/Artist-in-Residence Munich herzlich für die neue Kooperation und bin sehr glücklich, dass wir gleich beim ersten Mal unter so vielen spannenden Projekten auswählen durften. Kinga Tóths Arbeit, für die sie die Bestände des Lyrik Kabinetts nutzen will, hat uns mit ihrem zeitübergreifenden, inspirierenden und engagierten Ansatz begeistert“, so Holger Pils, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Lyrik Kabinett.

Tóth erforscht mit ihrem Projekt traditionelle Lebensweisen und -haltungen von Frauen, die heute als heilig oder selig gelten, und denkt sie ins 21. Jahrhundert weiter. Tóth überarbeitet   dafür überlieferte Gebetsformen mit visuellen und klanglichen Mitteln, mit Montage und Recycling unter anderem von Haushaltsgegenständen, Devotionalien, Putzmaterialien, Küchen- und anderen Geräten. Im katholisch geprägten München möchte sie lokale Bezüge finden und die gesammelten Dokumente, Gedichte und Fotografien in moderne „Gebete“ transformieren.

Kinga Tóth, 1983 in Ungarn geboren, arbeitet auf experimentelle Weise interlingual (ungarisch, deutsch, englisch) und intermedial (Performance, Installation). Sie ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin und (Klang-)Poet-Illustratorin, Kulturmanagerin, Performerin und Übersetzerin. Zu ihren Veröffentlichungen zählen u. a. „Zsúr“ (Prae, 2013), im Deutschen unter dem Titel „Party“ (2019) beim Parasitenpresse-Verlag erschienen, und „Maislieder“ (Thanhäuser, 2019).

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Die Stiftung Lyrik Kabinett unterhält eine Bibliothek internationaler Lyrik mit ca. 65.000 Bänden, veranstaltet Lesungen zur internationalen Lyrik und publiziert Lyrik und poetologische Texte in verschiedenen Reihen. Sie führt pädagogische Programme an Schulen durch und unterstützt verschiedene Kooperationen zur Literaturförderung. Die Villa Waldberta in Feldafing am Starnberger See, in prachtvoller Lage und mit einer bewegten Geschichte, wird seit 1983 als Artist-in-Residence-Programm der Landeshauptstadt München genutzt. Seither waren Hunderte von Künstler*innen aller Sparten und aus aller Welt zu Gast, eingeladen in Kooperation mit Münchner Partnern – seit 2020 auch im Rahmen von weltweiten Ausschreibungen, so wie nun zusammen mit dem Lyrik Kabinett.

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Kinga Tóth

als ich auf den porträtstuhl gesetzt wurde
und mich hinter eine schneiderpuppe stellte
wurde ich hellblau in eiform geheftet
die nadel sprang aber von meiner haut ab
und das pferd in mir begann zu rennen

und meine zehen wurden glühend
und auf meinen venen spannte das straßenlicht
orangegelb
auf meiner haut liefen kleine felle
und mein haar warf meine mütze runter
mein sohn winkte auf dem rücken eines schafs
benjamin erhob sich über die flugzeuge
auf der tastatur schaltete sich die sprache um
und ich landete in glühbirnendrähten
von links nach rechts
glitt ich durch diesen stromkreis

Aus: Kinga Tóth (Seeles)übungen: Blitzgeraet