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26.02.2018, 11:05 Uhr
Redaktion
Gespräche

Interview mit dem Schriftsteller und Villa Concordia-Stipendiat Thomas Kapielski

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Thomas Kapielski. Foto: Michael Aust/ Villa Concordia Bamberg

Der Schriftsteller, bildende Künstler und Musiker Thomas Kapielski ist einer der StipendiatInnen der Villa Concordia in Bamberg, die seit April 2017 für elf Monate dort wohnen und arbeiten dürfen. In der Sparte LITERATUR haben 2017 sieben Autorinnen und Autoren aus Griechenland und Deutschland das Stipendium angetreten. Der Aufenthalt in der Villa Concordia soll bereits etablierten Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, ohne zeitlichen oder finanziellen Druck, inspiriert durch die Begegnung mit anderen internationalen KünstlerInnen, an neuen Projekten zu arbeiten.

Thomas Kapielski wurde 1951 in Berlin-Charlottenburg geboren. Er studierte Philologie, Physische Geographie sowie Philosophie an der Freien Universität Berlin. Als Allroundarbeiter ergänzt er sein Schreiben durch Arbeiten aus den Bereichen der Musik, Bildenden Kunst und Fotografie; daneben ist er als Dozent für Kunst tätig. Seine erste literarische Veröffentlichung erschien 1984 u.d.T. Der bestwerliner Tunkfurm. Ab den 1990er-Jahren publizierte Kapielski Texte u.a. in der Zeit, der FAZ und der Frankfurter Rundschau. Von 1998 bis 2004 war er als Gastprofessor für Performance an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig tätig. Zuletzt erschienen von ihm sein „Volumenroman“ je dickens, destojewski! (2014), Leuchten. A- und So-phorismen (2016) sowie Gedichte in der Zeitschrift Tumult (2015). 2010 wurde Thomas Kapielski mit dem Preis der Literaturhäuser ausgezeichnet, 2011 mit dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor und 2016 mit dem Sondermann-Preis für komische Kunst. Das Literaturportal Bayern hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen. 

*

Literaturportal Bayern: Wie sehen Sie als „Kunst-Allrounder“ das Potenzial im Künstlerhaus Villa Concordia, dass sich Kunstarten treffen und beeinflussen? Inwieweit konnten Sie von den anderen Künstlern, die mit Ihnen im Haus wohnen, profitieren?

Thomas Kapielski: Ich profitiere, wie Sie sagen, zunächst allein dadurch, das ich die Schreiberei und das Kunstwerkeln und immer wieder noch Musizieren selbst ja als „Kapielskis Gemischtwaren“-Laden betreibe; einesteils aus Überlebensgründen: nur vom Schreiben könnte ich keine Familie ernähren, und meine Galeristin Marlene Frei verkauft in Zürich einen Schinken, den ich in zwei Tagen gebastelt habe, doppelt so teuer wie ich ein frisches Buch an Suhrkamp, an dem ich zwei Jahre ärmlich aber vergnügt rumfeile. Andererseits belebt und erfrischt mich mein Gemischtwarenbetrieb kraft unterschiedlicher und abwechselnder Heimarbeit und Denkweise, und sobald ich den Eindruck habe, daß inzwischen mehr Menschen schreiben als lesen und Überdruß kultiviere, flüchte ich hinüber in die Radierungen und Schinkenölungen oder konstruiere Dreitastenflügel. Die Begegnungen mit anderen Künsten in der Concordia war gut und im wörtlichen Sinne naheliegend – gewöhnlich bin ich zu faul, weit auf Konzerte und Ausstellungen zu latschen – und was ich sah und hörte hat mich viel nachdenken lassen; zunächst habe ich mal gedacht: Gut, also so machst du es besser nicht

 

Welche Ihrer Arbeiten hat im vergangenen Jahr in der Villa besondere Aufmerksamkeit erhalten?

Ich vermute, allein mein schieres, ja bisweilen pralles Da- und Hier- und Sosein.

 

Welche Rolle schreiben Sie der Kunst in der heutigen Gesellschaft zu?

Hm. Zum einen betreibt und beschäftigt sie einen sehr ‚künstlichen’ Betrieb – den Kunstbetrieb eben –, mit Museen, Kunstschulen, Galerien, Hochschulposten, subventionierten Concordia-Künstlerhäusern und Publikum und mit viel Spezialjargon, Klatsch und Tratsch und Moden, und sie befeuert ein sehr eigentümliches Markttreiben, wo sehr viel Geld, bedrucktes Papier also, gegen geölte Leinwand getauscht wird und viele zu profitieren hoffen und einige tun das auch; die meisten darben allerdings als verkannte Künstler. Jedenfalls beides, Geld und Kunst, muß ja irgendwie gedeckt sein, durch guten Glauben und würdevolle Versprechen und hermeneutisch begabte Quatschköppe, die notfalls auch Fettecken heilig sprechen und für wertvoll erachten. Was gemacht wird ist in der Jetztmoderne indes zweitrangig. Wie auch immer – diese eigentümliche Sache looft und rotiert ja irgendwie ...

 

In Ihrem Buch Je dickens, destojewski! bestehen die Handlungen unter anderem aus Kneipengesprächen. Welche Rolle für Politik und Gesellschaft geben Sie Ihren und den Stammtischgesprächen allgemein heute?

Das ist mit der letzte Ort und Hort der Parrhesia, der freimütigen Rede und des offenherzigen Gesprächs also, und das alles  – noch, o Herr! noch – ganz ohne Händi – ich sage und schreibe das immer mit ä und i – und ohne Fernsehen und frei von Tugendwacht.

 

Sie haben in einem Interview erwähnt, dass Sie Ihre Bücher kistenweise ordnen. Nehmen Sie so eine Kiste mit, wenn Sie länger unterwegs sind? Was lesen Sie gerade?

Die Kisten sind praktisch für häufige Umzüge, welche als Fluch lebenslänglich auf mir lasten; also Kiste in den Möbelwagen legen, dann wieder aufstellen, fertig! Habe ich erfunden. In Bamberg habe ich keine Bücher, da gehe ich ein paar Minuten hoch in die Staatsbibliothek und kann dort alle Bücher der Welt lesen und ausleihen. Zuletzt las ich dort Berthold Vallentins Napoleon-Biographie, die Erstausgabe bei Bondi. Muß man weiße Handschuhe beim Umblättern anziehen. Dann die Lebenserinnerungen von Wilhelmine von Bayreuth, Schwester von Friedrich II. von Preußen, so preußisch-fränkischer Schwank und Hoftratsch, sehr amüsant, besser als Judith Hermann.

 

Sie wurden einmal in der Literaturkritik als „der Jean Paul unserer Tage“ bezeichnet. Was bedeutet dieser Schriftsteller für Sie noch heute?

Was soll ich sagen? Der ist und bleibt schwer in Ordnung! Was mit mir ist, weiß ich doch nicht!

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