Die Entstehung eines Netzromans: Thomas Lang präsentiert die Hauptfigur Elle

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Mit Unterstützung des Literaturportals Bayern schreibt der Münchener Schriftsteller und Ingeborg-Bachmann-Preisträger Thomas Lang einen interaktiven Roman – live im Netz auf netzroman.thomaslang.net. Starttermin war der 1. September 2016, erste „Bausteine“ der Erzählung wurden veröffentlicht und von den Leserinnen und Lesern kommentiert. Was ist bislang passiert?

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Es ist soweit: Zum Ende des ersten Monats im Onlineprojekt Der gefundene Tod von Thomas Lang präsentiert der Autor die ersten Figuren der Geschichte. Den Anfang macht die Hauptfigur Elle, die im Zentrum der düsteren Coming-of-Age-Story stehen soll.

Das Besondere an den Beiträgen Langs zum „Personal“ seiner Geschichte sind die Offenheit und der Gestaltungsspielraum, den er den Userinnen und Usern darin gibt. Es handelt sich um Skizzen, in denen einige Eigenschaften angelegt sind, wie Alter, Geschlecht und familiäre Hintergründe. Gleichzeitig werden diese Entwürfe zur Diskussion gestellt und mit Fragen versehen, die die Figuren näher bestimmen sollen.

Die Skizze zu Elle ist noch relativ kurz, erzeugt aber schon einen deutlichen Sog in die Erzählung:

 

 

Welches Bild haben die Userinnen und User von Elle? Das möchte Thomas Lang erfahren. Welche Schule besucht sie? Welche Musik hört sie? Gibt es die kleine Schwester oder nicht? Um die Hauptfigur authentisch zu gestalten, fragt Lang auch nach den eigenen Erfahrungen der Rezipientinnen und Rezipienten aus dem Alter, in dem sich Elle befindet.

Die bisherigen Rückmeldungen zu Elle ergänzen den Entwurf von Thomas Lang schon um einige Merkmale:

Elle könnte beispielsweise eine kleine Schwester haben, die leicht verhaltensauffällig ist. Elle fühlt sich verantwortlich für sie und ist zugleich eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die „der Kleinen“ dadurch zukommt.

Als Resultat aus der familiären Konstellation, in der Elle viel Verantwortung übernehmen muss, könnte sie ein „Kontrollfreak“ sein. Sie hat Angst vor Kontrollverlust und ist deswegen auch ängstlich in Bezug auf Alkohol und Drogen. In ihrer Clique muss sie das überspielen, um nicht als feige zu gelten. Gleichzeitig sehnt sie sich nach einem „Rausch“ und der Abgabe der Kontrolle.

Ihr Aussehen ist ihr sehr wichitg, sie färbt sich oft die Haare und macht sich viele Gedanken um die Details ihres Erscheinungsbilds. Sie will anders sein, aber auch cool. Der Versuch, Anti-Mainstream zu sein, könnte fast schon wieder klischeehaft wirken.

Einige Kommentatoren erinnert Elle auch Figuren aus anderen Büchern, Filmen oder Videospielen, etwa Carrie aus dem gleichnamigen Werk von Stephen King oder Chloe aus dem Spiel Life Is Strange.

In anderen Fragen herrscht noch größere Unentschiedenheit: Welcher Art sind die Tagebucheinträge und Forumsbeiträge, die Elle postet? Wirkt das zu altmodisch? Müsste sie nicht eher bei Instagram oder tumblr sein? Schreibt sie Fan-Fiction oder Theoretisches? Oder interessiert sie sich vielleicht für Graphic Novels?

Über die kommenden Beiträge der Userinnen und User und weiteren Figuren-Postings von Thomas Lang werden sich die Figur Elle und ihr Umfeld noch weiter ausdifferenzieren. Im Zuge dessen möchte der Autor schließlich auch darüber reflektieren, wie eine literarische Figur eigentlich entsteht und was sie ausmacht.

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