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25.08.2016, 12:55 Uhr
Laura Velte
Schullesereihe

Schüler schreiben über ihre Ängste und Hoffnungen

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Lena Gorelik, Fridolin Schley und die NeuntklässlerInnen der Joseph-von-Fraunhofer-Schule; Fotos: Literaturportal Bayern

Das Literaturportal Bayern veranstaltet zum Flüchtlingsthema Lesungen und Diskussionen nicht nur mit Erwachsenen und Tonangebern, die ihre festen Meinungen oft schon haben, sondern auch mit Heranwachsenden, mit Schülerinnen und Schülern, die davon mindestens ebenso betroffen sind und ganz eigene Erfahrungen und Blickwinkel darauf haben. Die Schullesereihe So fremd wie wir Menschen möchte mit Jugendlichen aus allen Schultypen Texte lesen, die aktuelle Situation diskutieren, über Hoffnungen und Ängste sprechen – und Anregungen zum eigenen kreativen Umgang damit bieten. Am 25. Juli 2016 fand der Auftakt an der Joseph-von-Fraunhofer-Realschule in München statt. Wir publizieren einige der Schülertexte, die Einblick ins Innenleben der Jugendlichen geben.

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Krieg hinter dem Fenster

von Felix H., 9. Klasse

 

Es ist spät in der Nacht. Von draußen hört man durchs Fenster wieder einmal die Polizei. Ich drehe mich im Bett einfach vom Fenster weg und versuche weiterzuschlafen. So geht es einige Tage, und von Tag zu Tag wird es lauter. Mir wird klar, dass bald etwas passieren muss, irgendeine Seite wird es zu weit treiben, aber ich hoffe auf das Gute und drehe mich weg. Will nichts sehen!

Mitten in der Nacht stürmt meine Mutter ins Zimmer, im Halbschlaf bemerke ich, wie draußen vorm Fenster nun Schüsse fallen. Sie drängt mich, schnell ein paar Anziehsachen zusammenzupacken. Wir laufen gemeinsam aus dem Haus und mir wird klar, dass ich mich jetzt nicht mehr einfach vom Fenster wegdrehen kann. Keiner kann mehr ignorieren, was passiert. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber gerade in diesem Moment würde ich mir wünschen, in meinem Bett zu liegen und mich einfach vom Fenster wegzudrehen.

 

*

 

Gedicht

von Ersin P., 9. Klasse

 

Wind! Wind! Pfeifender Wind,

in Mengen von Fremden ein verlorenes Kind.

Treibend auf Wellen, ein schaukelndes Boot,

allgegenwärtig, der Tod.

 

Keine Familie, keine Freunde,

überall nur fremde Leute.

Trauer, Hunger, Einsamkeit.

 

Ungewissheit bis zum Ziel,

so als ob man in die Grube fiel,

zurückgelassen die Familie,

keine Zuneigung und Gefühle.

 

Stürme, Blitze, tobender Zorn,

in Weiten von Feldern nur ein kleines Korn,

in weiter Ferne ein brennendes Licht,

neue Zukunft ist in Sicht.

 

Bald bin ich da, kein Fürchten mehr.

Die schlimmen Gedanken sind nicht mehr schwer.

Freude auf Geborgengheit,

verloren ist die Einsamkeit.

 

 

 

Der Fremde

Als ich den Fremden zum ersten Mal sah, kam er mir wie ein vertrockneter Fisch vor, so abgemagert war er. Er schien halb verdurstet zu sein. Der Anblick ließ mein Herz wie einen alten, kaputten Wecker schlagen. Er versuchte mich mit einem Spielzeugrevolver zu bedrohen (was gar nicht nötig war). Seine Augen leuchteten wie Taschenlampen in ihren Höhlen, und seine Stimme hörte sich wie eine alte Kassette an, die man nicht gepflegt hat. Der Mann war offenbar komplett orientierungslos, und wahrscheinlich würde ihn nicht einmal ein Kompass auf seinen Weg zurück bringen. Vor meinen Augen brach er zusammen.