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Lars

... spürt zehn Cocktails und kein Gefühl.

Ich hatte ein Date. Allein bei dem Wort graute es mir. Date. Das klang wie eine Mischung aus „Doof“ und „Totalabsturz“ und in etwa dieser Reihenfolge hatte ich es auch geplant.

In meiner WG in der Schellingstraße hatten sie noch alle dämlich gegrinst, bevor ich aus der Tür war, es war die Idee des dicken Uwe gewesen, der mit begeisterten Mayo-Fingern mein Internet-Dating-Profil vergewaltigt hatte. Charlotte hieß letztendlich das Mädchen seiner Wahl und stand auf Spaziergänge im Olympiapark. Allein das hätte mich abschrecken müssen.

Im Café Cord in der Sonnenstraße streckte mir Charlotte ihre kalte, klebrige Hand entgegen. Sie erzählte mir von ihrem Traum, Heidi Klum zu treffen und ich bestellte mir drei Long Island Ice Tea gleichzeitig. Als ich mich dann vom Klo zurück aus Versehen an den falschen Tisch setzte und die dortige Oma nach ihren Vorlieben in der Horizontalen fragte, ging der Ärger erst richtig los. Als der Kellner dann noch meinen Biervorrat unter meinem Pullover bemerkte, den ich für den absoluten Notfall dort gebunkert hatte, war es endgültig Schluss mit lustig. Der breitschultrige und nicht wirklich Spaß bereit wirkende Kellner komplimentierte uns relativ nachdrücklich aus dem Café.

Leider hielt Charlotte der Zwischenfall nicht dazu an, das Handtuch zu werfen. Im Gegenteil: Sie nahm mehrmals Anlauf ihre schwitzende Hand in meiner Gesäßtasche unterzubringen, was ich aber mit genau getimten Stolperattacken immer wieder abwenden konnte. In den Fünf Höfen, in denen ich erfolgreich mehrere Omis mit vollen Einkaufstüten gerammt hatte, landeten wir schließlich in einer dieser seltsam schlicht wie gleichzeitig schick anmutenden Abfüllhallen, die viele Cocktails, aber wenig Bier anbieten. Ich führte meine Long Island Icetea-Erkundungstour weiter, während Charlotte meinen immer weiter fortschreitenden Dämmerzustand dazu nutzte, ihrerseits unter dem Tisch auf Erkundungstour zu gehen.

Sage und schreibe zehn Cocktails später fanden wir uns eine Straßenecke weiter bei Charlotte auf ihrem Klappsofa wieder. Wir fummelten. Ich fühlte nichts, absolut nichts. Dass Charlotte irgendwann mit zusammen gekniffenen Beinen Richtung Klo lief, erschien mir wie eine geradezu lächerliche Unglaublichkeit. Draußen hörte ich die Glocken der Frauenkirche schlagen. „Typisch München“, dachte ich, kurz bevor ich komatös ausblendete, „das entscheidende bekommt man nie wirklich mit.“


Den ganzen Spaziergang auf der Karte verfolgen ...

Verfasst von: © Christoph Kastenbauer, 2011

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