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Eingang der Maria-Theresia-Schule (c) Literaturportal Bayern

Augsburg, Gutenbergstraße 1: Maria-Theresia-Schule

Anfang der 1890er Jahre wird in Augsburg die Höhere Töchterschule gegründet, die 1914 einen Neubau in der Gutenbergstraße und zugleich den Namen „Maria-Theresia-Schule“ erhält. Auf diese Schule geht die Arzttochter Paula Banholzer, offenbar ein gutaussehendes Mädchen, weshalb auch der junge Bertolt Brecht bald ein Auge auf sie wirft. Vermutlich 1916 kommen die beiden erstmals in Kontakt, doch die Fünfzehnjährige lässt ihren Verehrer lange zappeln. Allerdings denkt ein pubertierender Brecht nicht ans Aufgeben, sondern intensiviert seine Bemühungen. Schließlich gibt Paula Banholzer nach, die beiden werden ein Paar – und Brecht enthüllt seine kitschige Seite. In einem Brief an Paula, die von ihrem Geliebten bei vielen Namen, meistens aber kurz „Bi“ für „Bittersweet“ genannt wird, schreibt er:

Einsam bin ich wie die weinenden Rosse des Achilles, oh Du liebliche Rose blühend im mondlichten Tal der Verläumdung, wo es so unheimlich hell ist! Siehe, ich grüße Dich, Du Futter meiner Bandwurmsätze, Du Sphinx meines Mondscheinnachtskahnfahrtentraumwahnsinns, Du funkelnder Hohlspiegel des Nirwana, stolze, kluge Perlenfischerin im Meer dieses Unsinns, schmücke Dich mit den Perlen, kleine Ingeborg Brennessel!

Im Sommer 1918 macht Paula Banholzer ihren Abschluss an der Maria-Theresia-Schule. Am 15. Juli 1918 erscheint ein anonymer Bericht über die zugehörige Feier in den Augsburger Neuesten Nachrichten. Darin heißt es über die Schülerinnen, unter ihnen auch Paula Banholzer:

Die muntere Schar mit dem Glück in den Augen, das treu erfüllte Pflicht und die Erwartung heißersehnter Ferienfreuden gibt, stimmte die Eltern, die Lehrerschaft, die Gönner der Anstalt, zu denen Bürgermeister Geh. Hofrat Gentner, Stadtschulrat, Studienrat Dr. Löweneck, Rechtsrat Weinmann zählte, froh.

Erst 90 Jahre später entdeckt der Augsburger Brecht-Forscher Jürgen Hillesheim den Text als ein Werk des jungen Eugen Brecht – und damit auch den Hintersinn der Rede von den „heißersehnten Ferienfreuden“: Kurz nach der Feierlichkeit verbringen Bi und Bidi (Paulas Kosename für Brecht) heimlich ein paar gemeinsame Tage am Starnberger See. Beim ersten Mal haben die beiden Glück, doch Anfang 1919 muss Paula Banholzer feststellen, dass sie schwanger ist. Den Heiratsantrag ihres Geliebten lehnt ihr Vater ab, wohl nicht zuletzt, weil Brecht Protestant ist und die Banholzers Katholiken sind. Um weiteres Aufsehen zu vermeiden, verfrachtet Vater Banholzer seine Tochter nach Kimratshofen, ein Dorf im Allgäu, wo sie am 30. Juli 1919 ihren Sohn zu Welt bringt, der nach Brechts Idol Frank Wedekind auf den Namen Frank getauft wird.

Um die Mutter seines Sohnes wenigstens finanziell zu unterstützen, beginnt Brecht – unter dem Eindruck der Revolutionen und Aufstände im November 1918 in München und Januar 1919 in Berlin – mit der Arbeit an einem Drama, von dem er sich stattliche Einnahmen verspricht. In der ersten, nicht erhaltenen Fassung heißt das Stück Spartakus. Unter diesem Namen stellt er es im Frühjahr 1919 Lion Feuchtwanger vor, der sehr angetan ist und dessen Frau Marta den Titel Trommeln in der Nacht vorschlägt. In der Druckfassung von 1922 trägt das Stück die Widmung „Der Bie Banholzer“, die Uraufführung findet im September 1922 an den Münchner Kammerspielen statt.

Im März 1924 heiratet Paula Banholzer – Brecht hatte ihr mehrfach die Ehe versprochen, im November 1922 jedoch die Sängerin Marianne Zoff geehelicht – einen Kaufmann. Ihr Sohn Frank fällt im November 1943 in Russland.

Helene Weigel, Brechts zweite Ehefrau nach Zoff, soll später gesagt haben: ,,Brecht hat viele Frauen gehabt, geliebt hat er aber nur die Bi.“ Dafür spricht, dass eines der letzten Gedichte von Brecht, das Gedicht Gleichklang, das 1953 entsteht, noch einmal das Paar Bidi und Bi heraufbeschwört:

Bidi in Peking
Im Allgäu Bi
Guten, sagt er
Morgen, sagt sie.

Paula Banholzer selbst berichtet 1981 in dem Buch Paula Banholzer, so viel wie eine Liebe: der unbekannte Brecht (Erinnerungen u. Gespräche) über ihre Jahre mit Brecht. Im Februar 1989 stirbt sie im Alter von 87 Jahren in Augsburg.

 


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