https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/2021/klein/Tegernsee_164.jpg
Foto: Ingvild Richardsen (TELITO)

Waldschmidtstraße 1: Der Musikant von Tegernsee (Waldschmidt)

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/2021/klein/Maximilian_Schmidt_um_1912_500.jpg
Porträt des Schriftstellers Maximilian Schmidt vor 1912

Die Waldschmidtstraße, die von der Bahnhofstraße beim alten Gendarmeriegebäude abzweigt und entlang des Alpbaches zum Prinzenweg führt, erinnert an den Volksschriftsteller Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt. Tatsächlich zählt Maximilian Schmidt (1832-1919) zu den bekanntesten bayerischen Heimatschriftstellern des 19. Jahrhunderts. Wie viele, so wurde auch Waldschmidt durch seine Aufenthalte am Tegernsee zu literarischen Werken mit Lokalkolorit animiert. 1886 verfasste er den Tegernsee-Roman Der Musikant von Tegernsee, der 1914 als einer der ersten Heimatromane von August M. Kormann verfilmt wurde, 1921 ein weiteres Mal von der Fata Morgana Film GmbH München. 2014 inszenierte Andreas Kern den Musikant von Tegernsee als Theaterstück. Unter großem Applaus wurde es am Tegernseer Volkstheater im Rahmen der Tegernseer Woche uraufgeführt.

Wer war Maximilian Schmidt?

Maximilian Schmidt wurde am 25. Februar 1832 in Eschlkam im Bayerischen Wald geboren. Schon als Neunjähriger schrieb er ein Theaterstück. Mit sechzehn begann er in München zu studieren. Als dem Vater das Geld ausging, meldete er sich 1850 freiwillig zum Militär. Die erhoffte Karriere blieb aus. In München knüpfte er Kontakte zur besseren Gesellschaft, wurde Leiter des Chor-Kadettentheaters. 1863 heiratete Leutnant Maximilian Schmidt. Die Mitgift war beträchtlich und so leistete das Ehepaar sich Häuser und Wohnungen in den besten Vierteln von München und eine Villa am Starnberger See. 1863 erscheint sein erster Roman Das Fräulein von Lichteneck, wodurch er Zugang zu König Maximilian erhält. Dieser will, dass Schmidt die bayerische Geschichte in kleinen, ansprechenden Erzählungen an das Volk vermittelt. Diesen Wunsch erfüllt Schmidt dem König mit seinem gesamten Werk. Als das Königreich Bayern 1866 mobil macht und an der Seite Österreichs gegen Preußen in den Krieg zieht, ist Oberleutnant Schmidt als Kompanieführer an vielen Gefechten beteiligt. Der Krieg endet mit einem Sieg Preußens und seiner Verbündeten. Ludwig II. muss die Unabhängigkeit Bayerns aufgeben. Schmidt wird wegen einer Erkrankung auf unbestimmte Zeit pensioniert.

Lebenskrise

1869 verlässt Schmidt München, um im Bayerischen Wald eine neue Existenz zu gründen. Er wird Unternehmer und baut in Regensburg bei Köstling eine Fabrik zur Herstellung von Holzstoffpappe. Die Papierfabrik und unvorhergesehene Kosten vernichten sein Vermögen. 1870 zieht er mit in den Krieg gegen Frankreich, wo er Dienst in der Schreibstube tun muss. Erneut erkrankt er und wird wieder in Pension geschickt. Wegen seiner Schulden darf er auch die geliebte Uniform nicht mehr tragen. Jahrzehnte kämpft er um seine Rehabilitation. Er geht zurück nach München. Es ist sein schlimmstes Lebensjahrzehnt. Als Schriftsteller hat er kaum veröffentlicht und als Soldat und Unternehmer ist er gescheitert.

Literarischer Durchbruch mit König Ludwig II. und der Fischerrosl

Schmidt besinnt sich auf seine Wurzeln und beginnt wieder zu veröffentlichen. Der bayerische Wald und das Alpenvorland sind die Handlungskulisse seiner Werke. Mit simplen Erzählstrukturen, geschriebenem Dialekt und ausgiebigen Naturschilderungen, aber auch mit großer volkskundlicher Kenntnis entwirft er ein Bild der bayerischen Provinz und trifft den Geschmack der Zeit und des Monarchen. Waldschmidt diktiert und seine Frau schreibt. König Ludwig ist so begeistert von der Fischerrosl, dass er das Ende des Buches nicht erwarten kann. Täglich schicken beide ein Kapitel von Ambach, wo sie den Sommer verbringen, nach Schloss Berg zum König, der schon ungeduldig auf die Lektüre wartet. Mit der Fischerrosl kommt der große Durchbruch. Waldschmidt wird in Bayern und darüber hinaus zum beliebtesten Volksschriftsteller seiner Zeit. Am 18. April 1884 ernennt König Ludwig II. den Schriftsteller aus Eschlkam zum königlichen Hofrat.

Lieblingsautor von König Ludwig II.

König Maximilian II. (1811-1862) und König Ludwig II. (1865-1886), der ihn sogar zum Hofrat ernannte, sind begeisterte Anhänger von Maximilian Schmidts Romanen. Der 13. Juni 1886 ist ein Tag, der in die bayerische Geschichte eingeht. An diesem Tag stirbt König Ludwig II. Das Buch, dass der Märchenkönig noch zwei Stunden vor seinem Tod liest, stammt von seinem Lieblingsschriftsteller Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt, heißt Leonhardiritt und spielt in Kreuth. Doch nicht nur König Ludwig verehrt den Schriftsteller, ganz Bayern liegt ihm 1886 zu Füßen, dem Bestsellerautor, der eine Wirklichkeit abbildet, die den Geschmack der Zeit bedient. 1886 ist auch das Jahr, in dem Der Musikant von Tegernsee erscheint.

Der Musikant von Tegernsee

Wie Maximilian Schmidt in seinen Lebenserinnerungen berichtet, schrieb er den Musikant von Tegernsee auch auf Einladung der Wiener Zeitung hin, die ihn als Fortsetzungsroman in ihrer Zeitung zuerst veröffentlichte. Die Handlung des Romans:

Oben auf der Gindlalm gesteht der Jäger Franzl im Sommer 1836 seinem bestem Freund, dem Tegernseer Musikanten Baptist, dass er die schöne Sennerin Celli, die Tochter des Bauern auf der Neureuth begehrt und sich, so glaubt er, berechtigte Hoffnungen macht. Baptist soll es übernehmen, dem hübschen Mädchen das Zitherspiel beizubringen. Das ist nur eine der Maßnahmen, die der Jäger sich ausgedacht hat, um aus Celli eine zu ihm passende vornehme Dame zu machen, weil er selbst nach der großen Forstkarriere strebt. Doch seine Rechnung geht nicht auf, denn Celli und Baptist verlieben sich ineinander. Um das dem besten Freund nicht beichten zu müssen, versuchen sie ihm Mamsell Urschel als die perfekte Partie unterzujubeln. Denn sie, die bereits in einem feinen Forsthaus als Haushälterin gearbeitet hat, kann wunderbar gebildet Französisch sprechen. Was zunächst zu gelingen scheint, mündet dann aber in ein großes Unglück. Auf der Gindlalm geraten nicht nur die Kühe in Streit. Auch Stadt und Land prallen aufeinander, was sich in den komischsten Sprachverwicklungen widerspiegelt, denn schon damals sprach in München kaum noch jemand Bairisch.

Schmidts Musikant von Tegernsee ist nicht nur ein Roman, tatsächlich ist er auch ein Tegernsee-Reiseführer. Durch ihn lernt man das damalige Tegernsee mit seinem Lokalkolorit und bayerischen Dialekt kennen, denn der Musikant ist durchzogen von vielen Ausführungen und Informationen zu Tegernsee und dem Tegernseer Tal. Durch das Buch lernt man die Landschaft und Natur im Tegernseer Tal kennen, auch über wichtige lokale Örtlichkeiten, wie zum Beispiel die Neureuth, das Paradies und den Westerhof wird man aufgeklärt. Mengen an Informationen erhält man zur Geschichte und Kultur Tegernsees, lernt die Geschichte des Tegernseer Klosters kennen, die Tegernseer Tracht und erfährt, was für ein Typ von Mensch der Tegernseer bzw. die Tegernseerin ist. Ein Ausschnitt:

Die Tegernseer sind ein schöner, kräftiger Menschenschlag. Ihre Gestalt ist hoch, der Gliederbau schlank und von schönem Verhältnis, die Muskulatur voll und derb. Die Züge sind heiter und verständig, das Haar ist meist blond, das Auge offen, die Gesichtsfarbe blühend, die Haltung des Körpers leicht und frei. Der Gang, der den Hirten und Jäger bekundet, ist bedächtig und gerade.

Das weibliche Geschlecht teilt die Vorzüge des männlichen. Die Gebirglerin ist schlank, hoch, von vollen Formen, weißer Hautfarbe, frischem Rot des Gesichtes. Das Haar ist lang, weich und hängt in zierlichen Flechten herab.

Die Tracht der Männer ist die beim Musikanten und Jäger-Franzl beschrieben, dazu schließt sich noch um die Hüfte ein lederner Gurt. Den Kopfschmuck macht ein Hütchen aus mit schmalem Rand, oben spitz zulaufend, mit einer Tresse, einem Gamsbart, oder einer Spielhahnfeder geziert. Die Kleidung des weiblichen Geschlechts besteht in einem engen und knapp anliegenden Faltenrock, der bis an die Knie reicht, einem fest anliegenden Leibchen und dem mit Schnürriemen festgeschlossenen Brustlatz. Bei Wohlhabenderen sieht man im Mieder wohl auch eine silberne Uhr mit schwerer Kette stecken. Auch die Frauen tragen bauschige Socken. Den Kopf ziert ebenfalls der grüne Hut, mit Blumen, Bändern und Tressen geschmückt. Die alten Weiber tragen aber die runde, schwatze Wollhaube, die sehr unkleidsam ist.

Die Hauptzüge des Charakters dieser Leute sind treue Biederkeit, gutmütige Ehrlichkeit, feste Anhänglichkeit an Religion und angestammtes Fürstenhaus, eine handfeste, nie die Gefasste berechnende Schlagfertigkeit, stille, einträchtige Häuslichkeit und sättige Scham. Dabei ist der Hochländer munterer Natur, gesellig und witzig. Er haßt Heuchelei, Kriecherei und Feigheit. Beleidigungen rächt er schnell im aufbrausenden Zorn, jedoch ist er leicht versöhnlich und trägt nicht nach. Verwundet man jedoch seine Ehre, so rührt er nicht, bis ihm durch Rache seine volle Genugtuung geworden ist.

Theater und Film

Viele Stücke Waldschmidts werden im Theater am Gärtnerplatz und im Volkstheater in München aufgeführt. Mehr als 40 hat er verfasst. Der absolute Renner ist das Auftragsstüberl, das 400 mal aufgeführt wird, sogar in Amerika. Auch der Film entdeckt Waldschmidt. 1911-1915 produziert die Firma Münchner Kunstfilm vier Stummfilme nach seinen Büchern, darunter den Leonhardiritt und den Musikant von Tegernsee. Diese Filme, die mit den Heimatfilm begründen, gelten heute als verschollen. Allenfalls die Standbilder können noch einen Eindruck vermitteln.

Bedeutung

Schmidts Engagement für das bayerische Königreich war enorm. 1890 gründete er den Fremdenverkehrsverband und forderte, Bayern müsse das meist besuchte Land werden. Fünf Jahre später organisierte er ein großes Volkstrachtenfest, um das aus seiner Sicht geradezu langweilige und einförmige Oktoberfest aufzufrischen. Daraus entstand der heute so berühmte Trachten- und Schützenzug. Zahlreiche Gedenktafeln in Bayern erinnern an Schmidt, den einst berühmten Schriftsteller, der aber im Laufe der Zeit immer mehr in Vergessenheit geriet. Gestorben ist er 1919, begraben im Familiengrab auf dem Münchner Südlichen Friedhof.

 


Zur Station 3 von 10 Stationen


 

Verfasst von: TELITO / Dr. Ingvild Richardsen