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Bertolt Brecht: Trommeln in der Nacht. Drama. München, Drei Masken Verlag, 1922. Exemplar des Theaterkritikers Bernhard Diebold (1886-1945). Privatbesitz.

Ainmillerstraße 7 (Marieluise Fleißer)

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Ainmillerstraße 7. Marieluise Fleißer hatte ein Zimmer im ersten Stock mit Blick auf die Wilhelmstraße (rechts). Foto: Dirk Heißerer.

Die Studentin Marieluise Fleißer (1901-1974) aus Ingolstadt hatte seit 1920 ein Zimmer in der Ainmillerstraße 7/I [Abb. 10] bei der (laut Münchner Adressbuch) „Hofrats- und Arztenswitwe“ Elisabeth Beraz; von dort hatte sie es nicht weit in die Universität, erst recht aber nicht weit in die Georgenstraße 24 zu ihrem Mentor Lion Feuchtwanger.[26] Der erkannte das dramatische Talent der jungen Frau und reichte ihr erstes Drama Die Fußwaschung an seinen neuen Mitarbeiter Bert Brecht weiter, der das Stück kurzerhand in Fegefeuer in Ingolstadt umbenannte und für die Uraufführung am 25. April 1926 auf der Jungen Bühne des Deutschen Theaters in Berlin sorgte. Der große Erfolg führte dazu, dass Brecht der „Fleißerin“, wie er sie nannte, das „Lustspiel“ Pioniere in Ingolstadt abverlangte, das unter seiner maßgeblichen Regiebeteiligung am 20. März 1929 im Theater am Schiffbauerdamm aufgeführt und von Brecht später kurzerhand unter seine eigenen Stücke eingereiht wurde. Das Schicksal der derart von Brecht ausgebeuteten Marieluise Fleißer über die Zeit des Rückzugs in die Heimatstadt bis zur Wiederentdeckung durch ihre Theater-„Söhne“ Rainer Werner Fassbinder, Martin Sperr und Franz Xaver Kroetz zu Beginn der 1970er-Jahre ist ein eigenes Thema.[27] In dieser Zeit hat sie sich ihrer Anfänge erinnert und bekannt, dass sie „den Sprengstoff“,[28] der in ihrem Stück steckte und den Feuchtwanger-Brecht zur Explosion brachten, gar nicht erkannt habe.

 


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[26] Vgl. die anschauliche Schilderung der Wohnsituationen bei der Fleißer und den Feuchtwangers in: Marieluise Fleißer: Ich ahnte den Sprengstoff nicht (1973). In: Dies.: Gesammelte Werke. Vierter Band. Aus dem Nachlaß, hg. von Günther Rühle in Zusammenarbeit mit Eva Pfister. Frankfurt/M. 1989, S. 491-503, hier S. 495.

[27] Vgl. Häntzschel, Hiltrud: Marieluise Fleißer. Eine Biographie. Frankfurt/M. 2007; dies.: „Diese Frau ist ein Besitz“. Marieluise Fleißer aus Ingolstadt. Zum 100. Geburtstag. Marbacher Magazin 96/2001.

[28] Fleißer: Ich ahnte den Sprengstoff nicht (Anm. 26).

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer