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24.11.2014, 13:10 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [511]: Lilienbad gegen die Kultur des Foppens

Die Kontraste knallen wieder heftigst aufeinander, die Welt ist so rund wie ein Apfel, der keine Ecken, aber viel Fläche hat, deren Kontraste allerdings unmerklich ineinander übergehen. Bei Jean Paul ist's anders: das Lilienbad-Lob und der satirische Brief folgen nur deshalb aufeinander, weil sie insofern hier einen Platz verdient, weil einer da ist und ich den Sektor gern voll haben möchte, indem ich bloß abschriebe.

Hier die Sonne und ihr einzig glühender Strahl, dort der Brief des Doktors, er die Einladung zur Molluke namens Teidor ausspricht, wo Beatas Geburtstag gefeiert werden soll. Hier der Schmetterling-Fittich und die Käfer-Flügeldecke, die die Lilienbader Freude repräsentiert, dort der Plan des Professor Hoppedizel, in Maußenbach einen neuen Spaß zu veranstalten. Hier das elyseische Bad, an das man sich noch erinnern wird, wenn die meisten Freuden längst entschwunden sind, dort die Idiotie des zweifelhaften „Moral“-Professors, einen theatralischen Kunst-Schrecken ins Werk zu setzen, der „Jean Pauls“ Gerichtsprinzipal ärgern soll. Hier die milde Hoffnung des Erzählers: Ich wünsch' euch, meine Leser, für euer Alter recht viele solche offen bleibende Stellen und jedem Kranken sein Lilienbad; dort die frommen Wünsche Dr. Fenks: dieser artistische und satirische Räuberhauptmann würde für einen wahren genommen und mit seinem Brech-Apparat auf einen Arrestanten-Wagen gebracht und öffentlich hereingefahren – nicht etwa, damit der gute Hoppedizel dabei versehret würde – sondern nur damit dieser korsarische Stoiker auf die Folter käme und dadurch drei Menschen auf einmal ins Licht setzte: erstlich sich, indem er weniger das Verbrechen als seine stoischen Grundsätze bekennte – zweitens den Pestilenziar oder mich, indem ich bei der Tortur (wie wir bei allen Schmerzen tun) die Rücksichten auf seine Gesundheit vorschriebe – drittens den Justitiar oder dich, der du zeigen könntest, dass du deine akademischen Kriminalhefte schon noch im Koffer hättest.

Bezeichnen diese Kontraste nicht schon jene schreiende Dissonanz, von der der Erzähler spricht, wenn er das Seetreffen des großen Weltmeers und das Schießen des selben inmitten der Wohllaute der Natur derart charakterisiert?

Lilienbad gegen die Kultur des Foppens: so endet der vorletzte Sektor.

Foto: Frank Piontek

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