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22.10.2012, 16:39 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [21]: Über die Voraussetzungen dieses Blogs

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Da steht er sehr gut – und so weit oben, dass er nicht mehr stört: Das allzu schöne Jean-Paul-Denkmal in Bayreuth, in Auftrag gegeben von König Ludwig I., entworfen von Ludwig Schwanthaler: eine Art fränkische Bavaria in Männlich. (Lithografie von 1841, (c) Stadt Bayreuth

1. Technische Voraussetzungen: Ich habe bereits Blog-Erfahrung; nach 5000 bewältigten Normseiten des kompletten zweibändigen Mannes ohne Eigenschaften und 452 Blogeintragungen (in genau zwei Jahren) fürchtet man sich vor keinem Roman und keinen Lektürenotizen.

2. Institutionelle Voraussetzungen: Die Bekanntschaft mit Katrin Schuster vom Literaturportal Bayern (anlässlich der Verleihung des JP-Preises an Brigitte Kronauer) brachte mich und Frau Schuster auf die Idee, es zum Jubeljahr JPs mit Jean Paul zu versuchen; meine Wahl fiel, absichtlich, auf ein heute eher unbekanntes, kaum gelesenes Frühwerk.

3. Ethische Voraussetzungen: Man ehrt den Dichter nicht, indem man seinen Namen nennt, ihn in Feiertags- und Festreden lobt und, wenn's hoch kommt, ein paar Aphorismen liest. Wer es wirklich ernst mit ihm meint, muss seine Romane (und einige seiner theoretischen Schriften, unter denen die Levana genannt werden muss) studieren.

4. Verständnismäßige Voraussetzungen: Viele JP-Freunde meinen, dass sie seine Erzähltexte nur verstünden, wenn sie sie HÖRTEN (womit ich nichts gegen die inzwischen zahlreichen JP-Aufnahmen sage: sie sind für den JP-Laien eine gute Möglichkeit, erst einmal in diesen Kosmos hineinzukommen). Ich bin der Meinung, dass man ihn wesentlich besser verstehen kann, wenn man ihn liest - wenn man also die Chance hat, Stellen zwei- oder dreimal zu lesen, wenn man die Zeit hat, zeitnah über ihn nachzudenken und ein eigenes Lesetempo zu wählen. Kommt hinzu, dass man, um JP zu verstehen, ihn unbedingt reflektieren muss. Auch dies hat nur Sinn, wenn man ihn - den Kleinteiligen, den Autor, der 1000 Details und Bilder auf einer Druckseite unterbringt - LANGSAM liest und das Gelesene festhält.

Nein, Jean Paul ist nicht schwierig – es kommt nur auf das Tempo an: ein Tempo, das dem gegenwärtigen Geschwindigkeitswahn Paroli bieten sollte.

5. Lesetechnische Voraussetzungen: Ich habe nur morgens Zeit, den Roman zu lesen und darüber zu bloggen. Mehr als zwei Seiten durchschnittlich sind nicht drin - und müssen keinesfalls sein (man kommt auch so erstaunlich schnell vorwärts, wenn man das Geschäft kontinuierlich, also täglich betreibt); dies gibt mir die Möglichkeit, in kleinen, aber sehr genauen Teilen über ihn zu schreiben: über seine Worte, über sein Pathos und seinen Witz (ja, er ist einer der ganz großen Humoristen der Literatur), über sein (notwendigerweise widersprüchliches) Ethos und seine Sentenzen, seine ungeheure Klugheit, seine Vorurteile und die überraschenden Winkelzüge der Handlung.

6. Bildtechnische Voraussetzungen: Im Unterschied zum Musil-Blog integriere ich nun wesentlich mehr Bilder in meinem Blog: verschiedenartigste Bilder mit Unterschriften, die, in quasi jeanpaulscher Weise, den Haupttext mit Glossen begleiten (auch mit Fußnoten und "Extrablättchen").

7. Persönliche Voraussetzungen: Ich lese Jean Paul seit gut 20 Jahren, habe zusammen mit Elfie Kieltsch die großen Bayreuther Jean-Paul-Spaziergänge veranstaltet, habe zusammen mit Marieluise Müller den Siebenkäs für die Bühne eingerichtet, habe zusammen mit Karla Fohrbeck die literarische Strategie des Jean-Paul-Wegs ab Schwarzenbach entwickelt (diese Damen sind meine persönlichen "Titaniden"), konzipiere zusammen mit Florian Raff und Sven Friedrich das neu zu eröffnende Bayreuther Jean-Paul-Museum - da ist es gut, sich wieder als literarischer Einzelkämpfer auf das Wesentliche: das große, unteilbare Werk selbst zu beziehen und zu konzentrieren.

8. Letztes Ausläuten: Ich muss mich - auch dies verbindet diesen Blog mit dem Musil-Blog – nicht zwingen; die Arbeit am Dichter macht ungeheuren Spaß – die sich dem Leser mitteilen könnte, der zuletzt dazu inspiriert werden sollte, den Roman selbst zu lesen: könnte man den Dichter besser ehren als durch die stille Lektüre seiner Texte?