Ludwig Ganghofers historische Romane: „Die Watzmannkinder“ VI (Der Mann im Salz)

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Illustration des Watzmann-Massivs als Familie, Ansichtskarte, Verleger Fritz Mühlstein in Offenbach a.M. & J.B. Rottmayer in Berchtesgaden, um 1880

Die Sage vom einst grausamen König Waze oder Wazemann, der mit seiner Frau und seinen Kindern Furcht und Schrecken im Berchtesgadener Land verbreitete, wurde schon mehrfach in Nacherzählungen bearbeitet, unter anderem von Ludwig Bechstein. Ludwig Ganghofer nutzte Motive der Watzmannsage für seinen eigenen Roman Die Martinsklause und verband sie mit der historisch belegten ersten Besiedelung Berchtesgadens durch Augustiner-Chorherren zu Beginn des 12. Jahrhunderts.

Im Rahmen seiner vier Aufenthalte im Berchtesgadener Land in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts fasste Ganghofer den Entschluss, die deutsche Geschichte aus der Sicht und im Interesse der jeweils unterdrückten Minderheiten – mikrokosmisch-geographisch und stellvertretend für die allgemeinen Verhältnisse – in sieben Werken (geplant waren neun) romanhaft zu erfassen. Dabei sollten durchgängig die Schicksale der Menschen im Spannungsfeld mit den sich entwickelnden feudalen Strukturen der jeweils vereinigten klerikalen und weltlichen Macht dargestellt werden: vom Anfang des Feudalstaats vom 12. bis 15. Jahrhundert (Romane 1-4) bis zum Ende des Feudalstaats vom 16. bis 18. Jahrhundert (Romane 5-7).

Nachfolgend in loser Serie werden die sieben Romane Ludwig Ganghofers im Literaturportal Bayern inhaltlich vorgestellt.

 

Historischer Romantitel: Der Mann im Salz

Historienfolge: 17. Jahrhundert, 1618

Herausgabefolge (Lfd. Nr.): 1906 (5)

Den historischen Hintergrund des Romans bildet die Zeit am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Die Darstellung der Hexenverfolgung mit den despotischen Auswüchsen der Herrscher, die geistliche und weltliche Macht in sich vereinen und mittlerweile exzessiv und todbringend ausüben, ist das sichtbare Zeichen eines sich abzeichnenden endgültigen Verfalls der feudalstaatlichen Ordnung.

Ludwig Ganghofer stützt seinen Roman einerseits auf das Ereignis, bei dem ein vollständig im Salz konservierter Leichnam aus der Frühgeschichte im Zuge des Bergwerksbetriebs zu Tage gefördert wird. Dieser Mann ist natürlich ein „Heide“ aus der Vorzeit, dessen Leichnam in einem geweihten Boden nicht begraben werden darf. Als beim Entfernen eines Salzblocks mittels der neuartigen Sprengtechnik, die viele Arbeitskräfte überflüssig werden lässt, mit Schießpulver der rothaarige „Mann im Salz“ entdeckt wird, erweckt dieser bei den Bergleuten zunächst Angst, Furcht und Panik. Die abergläubischen Bergleute versuchen daher, sich mit geweihtem Wasser zu schützen.

Das zweite große Romanthema ist die Geschichte der „Hexenverfolgung“. Ludwig Ganghofers Romanhandlung basiert eigentlich überwiegend auf der Geschichte der Hexenverfolgungen in Würzburg und überträgt diese auf Berchtesgaden, wofür eigentlich keine herausragende Stellung nachgewiesen ist. Dies ist einer der Hinweise, der auch darüber Aufschluss gibt, dass Ganghofer den Ort Berchtesgaden als den „Mikrokosmos“ in der Geschichte des deutschen Feudalstaats auswählte und diesen so über seine historischen Romane darstellen wollte. Angst und Aberglaube, immer wieder künstlich geschürt von Vertretern der Kirche selbst, um einen Hexenwahn bei der Bevölkerung auszulösen, sind es, die Ganghofer so beklemmend wie nachdenklich beschreibt.

Zu jener Zeit herrscht im Kloster großes Chaos, der ferne Kölner Erzbischof, dem Berchtesgaden untersteht, hat sich seit 22 Jahren nicht mehr um seine Fürstprobstei vor Ort gekümmert. Die Chorherren sind in zwei zerstrittene Parteien gespalten, eine davon hat den freundlichen Stiftsdekan und Kanzler von Söll wegen angeblich finanzieller Misswirtschaft angeklagt. Der Kölner Fürstprobst entsendet daraufhin eine Untersuchungskommission.

Die Schrecken des Krieges; 11. Der Galgen. Darstellung von Kriegsgräueln während des Dreißigjährigen Krieges nach Jacques Callot, 1632

Neben Söll werden die anderen Ortsgeistlichen jedoch weitgehend positiv dargestellt. Der „untersuchende“, außenstehende strenge Dominikaner Pürckmayer lässt für die Ermittlung möglichst vieler „Hexen“ schließlich einen Klagekasten an der Stiftskirche anbringen, damit die anonyme Denunziation aus der Bevölkerung befeuert werden kann. Die besonderen Opferschicksale von Frauen stehen dabei im Fokus.

Der Roman schließt dennoch mit einem gedämpften Optimismus, indem Adelwart die Befreiung der drei im Hexenturm eingesperrten Frauen gelingt, um später in Reichenhall bei Graf Udenfeld Asyl zu erwarten. Aber schon erkennen die Flüchtigen, wie die spanischen Truppen auf Salzburgs Ebene nach Böhmen marschieren – das Heraufziehen des Dreißigjährigen Krieges wird gegen Romanende immer mehr spürbar.

Und wieder sind es in diesem großen Krieg „Bündnissysteme“, die schicksalshaften Einfluss auf den Gesamtverlauf des Krieges, der keine Sieger, sondern nur Verlierer kennt, nehmen. In dessen Folge werden Deutschland und das Zentrum von Europa verwüstet, mit einer Nachhaltigkeit, die weit „über“ das Jahr 1648 hinauswirkt.

 

Widmung

Die voranstehenden Ausführungen werden Alfred Hermann Fried, geb. 11. November 1864 in Wien, gest. 4. Mai 1921 in Wien, gewidmet. Fried war verheiratet mit Bertha Engel, der Schwester von Ludwig Ganghofers Ehefrau Katinka, geb. Engel. Alfred Hermann Fried war der große Vorkämpfer für den Frieden der Menschheit und auch langjähriger Mitarbeiter von Berta von Suttner. Am 10. Dezember 1911 erhielt er den Friedensnobelpreis. Vor dem Hintergrund der damaligen wie auch gegenwärtigen, friedensbedrohenden Weltgeschehnisse ist Fried mit seiner immerwährenden Friedensbotschaft bis heute aktuell.

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