München, Kardinal-Faulhaber-Straße 10

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A. v. Doll: Ansicht der Promenadestraße, ca. 1840. „Die Promenadestraße mit dem erzbischöfl. Palais und dem Museumsgebäude von Cuvilliés.“ Abb. 124 in: O. Zettler: Alt-Münchner Bilderbuch. Ansichten aus dem alten München aus der Monacensia-Sammlung Zettler. München 1918. Legende ebd., S. 13.

Johann Friedrich Cotta ist als Verleger Schillers und Goethes damals die Nr. 1 unter den deutschen Verlegern. Er hat große Pläne; die einflussreiche liberale Allgemeine Zeitung, die seit 1810 in Augsburg erscheint, kann er zwar nicht nach München verlegen. Aber das neue Cotta-Blatt, die ebenfalls liberalen Neuen allgemeinen politischen Annalen, soll vom 1. Januar 1828 neu in München erscheinen. Heine wird als einer von zwei Herausgebern doppelt gelockt, mit einem hohen Honorar und mit der Aussicht auf eine Professur. Cotta verspricht Heine ein Jahresgehalt von 2000 Gulden, und der nimmt das Angebot freudig an; er sei damit, schreibt er stolz an einen Berliner Freund, „eine von Cottas theuersten Puppen“.[2] Johann Friedrich Cotta besitzt das Haus Promenadestraße 10 (heute Kardinal-Faulhaber-Straße 10), wo sich auch seine Buchhandlung befindet und wohin sich Heine anfangs seine Briefe schicken lässt.

Der erste Eindruck ist immer entscheidend. Heines erster Eindruck von München ist negativ, wie er an Varnhagen unter dem Datum „Endlich München, ungefähr den 28. Nov. 1827. Mittwoch“ nach Berlin berichtet: „Es sieht hier so aus wie ich es erwartete, nemlich herzlich schlecht. Die Leute sind besorgt, daß es mir nicht gefalle, und wissen nicht, daß ich eigentlich nur ein stilles Zimmer in dieser Welt suche. Ich will mich in mich selbst zurückziehn und viel schreiben. Wenn das Clima mir nicht zusagt, so packe ich den Coffer. Drum will ich mich auch auf nichts festes einlassen.“[3] Wo sich das erste Münchener „Zimmer“ Heines befunden hat, ist noch immer etwas unklar. Ob er bei Cotta oder bei dem Maler Gottlieb Gassen, ebenfalls einem Rheinländer, in der Dienerstraße gewohnt hat, wie immer wieder behauptet wird, ist zwar möglich, aber nicht belegt. Jedenfalls fühlt sich der migräneanfällige Heine anfangs in München nicht wohl, genauer „halb todt“, so dass er „bis jetzt fast immer das Zimmer gehütet“ habe, wie er an Campe am 1. Dezember 1827 schreibt, den er zugleich darüber beschwichtigt, dass der geplante dritte Band der Reisebilder keineswegs unter seinem Cotta-Engagement leiden werde: [...] ihm sollen meine besten Stunden gewidmet seyn“, beteuert er, fügt allerdings hinzu: „Aber ich will frey sein, und wenn das Clima wirklich so fürchterlich ist wie man mir droht, will ich nicht gefesselt seyn; finde ich meine Gesundheit gefährdet so packe ich meinen Koffer und reise nach Italien.[4]

Das „Clima“ – es wird zum Schlüsselwort der Münchener Monate Heines werden, in doppelter Hinsicht, zum einen was das Wetter, zum andern was die Stimmung gegen ihn angeht. Noch zum Jahresende schreibt er an einen Freund in Hamburg: „Das Clima hier tödtet mich, sonst aber gefällt es mir gut. Bin gut bewahrt. Der König ein netter Mensch. Ließt mit Theilnahme die politischen Annalen, wie er sagt.“[5]

Satirisches Gedicht auf München: Karikatur von Arpad Schmidhammer (1857-1921) auf eine Strophe des Gedichts „Der Ex-Nachtwächter“ (1851) von Heinrich Heine

Heine ist demnach in doppelter Hinsicht angekommen, der König weiß um ihn. Das „Clima“ verbessert sich bald. So lädt Heine am 12. Januar einen Freund aus Stuttgart zu sich ein: „Das Leben hier ist sehr angenehm, und wenn Sie eine gute Brust haben und sonst das Clima zu vertragen glauben, rathe ich herzukommen. Kommen Sie wenigstens mahl zum Besuch [...] und seyn Sie mein Gastfreund in München [...].“[6] Heine bezieht sich mit diesem Hinweis eindeutig auf das Topographisch-statistische Handbuch für Einheimische und Fremde oder: Neueste kurzgefaßte Beschreibung der Haupt- und Residenz-Stadt München, ihrer Merkwürdigkeiten und Umgebungen von Adolph von Schaden, das 1825 erstmals erschienen ist. Zum Klima heißt es dort: „Seiner hohen Lage halber ist München den rauhen und häufig vorherrschenden Gebirgswinden von Oberbayern und Tyrol sehr ausgesetzt und das Klima ist dessen zu Folge nicht das allermildeste, denn der Uebergang von Hitze zu Kälte macht sich sehr schnell und wer nicht eine recht gute Brust hat, kommt, vorzüglich im Frühjahr, zu einem Katharr oder Rheumatismus, er weiß gar nicht wie.“[7]

 


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[2] Heinrich Heine: Brief an Moses Moser in Berlin. München, 14. April 1828. In: Heinrich Heine. Säkularausgabe. Bd. 20. Briefe 1815-1831. Bearbeiter Fritz H. Eisner. Berlin/Paris 1970 (hinfort zitiert: Briefe), S. 328.

[3] Briefe (wie Anm. 2), S. 306.

[4] Briefe (wie Anm. 2), S. 309.

[5] An Friedrich Merckel in Hamburg. München, 30. Dezember 1927. Vgl. Briefe (wie Anm. 2), S. 313.

[6] An Wolfgang Menzel in Stuttgart. München, 12. Januar 1828. Vgl. Briefe (wie Anm. 2), S. 316.

[7] Hier zit. n.: Adolph von Schaden: Neueste humoristisch-topographisch-statistische Beschreibung der Haupt- und Residenzstadt München und deren Umgebungen für Fremde und Einheimische. München 1833, S. 7.

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer

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