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20.04.2018, 08:33 Uhr
Michael Stephan
Text & Debatte
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(c) Allitera Verlag

Die ersten 15 Bände der neuen Reihe Buchfranken

Spiegel bayerischer Literatur und Kultur, fundiert und unterhaltsam, Essays, Prosatexte und Gedichte von prominenten und unbekannten Autoren: Das ist die Zeitschrift Literatur in Bayern, die im Allitera Verlag erscheint. Seit über 30 Jahren informiert sie über das literarische Geschehen des Freistaats. Im folgenden Beitrag der 131. Ausgabe mit dem Schwerpunkt Literarische Landschaften rezensiert Michael Stephan die ersten 15 Bände der Reihe Buchfranken des Schrenk-Verlags aus Röttenbach.

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„Aufschreiben, dass sich eigentlich gar nichts ereignete. Sprechen, bis sie dir die Kinnlade festbinden und du reglos daliegst. Als ob man Heimat finden könnte. Wo sie doch da ist.“

Dieses Zitat stammt aus dem „Zweifelnden Vorspruch“, mit dem Hermann Glaser seine „Familienprosa“ mit dem Titel „Irgendwie traurig, vielleicht auch heiter“ einleitet. Ein eigener Abschnitt in der 1981 erstmals veröffentlichten Sammlung von kleinen autobiographischen Texten lautet „Frankenland“. Wie der Luftschiffer Gianozzo, eine Figur des (nicht nur) fränkischen Literaturheiligen Jean Paul, erhebt sich da Hermann Glaser auf einer Ballonfahrt über die fränkische Landschaft („ein Land zusammenhockender Bodenständigkeit“). Da war es nur konsequent, diese geistreichen Skizzen von Franken (und dem Rest der Welt) in die neue Buchreihe „Buchfranken“ aufzunehmen (als Band 10), die Hermann Glaser 2016 selbst initiiert hat und die er seither zusammen mit dem rührigen Verleger Johannes Schrenk in dessen gleichnamigen Verlag im mittelfränkischen Röttenbach herausgibt.

(c) Schrenk-Verlag

Hermann Glaser, Kulturhistoriker, Publizist und langjähriger Nürnberger Kulturreferent (1964-1990), versteht sich selbst als „Kulturbürger“ und ist der Nestor dieser selten gewordenen Menschengattung (er wird am 28. August 2018 90 Jahre alt!). Erst 2015 hat er eine voluminöse Literaturgeschichte Frankens vorgelegt hat (vgl. die Rezension von Klaus Hübner in Literatur in Bayern 122). Aber Glaser ist viel breiter aufgestellt und hat sich immer engagiert zu allen möglichen gesellschaftspolitischen Themen geäußert – von Deutschlands brauner Vergangenheit bis hin zu den drängenden Grundfragen des 21. Jahrhunderts. Diese Einstellung prägt auch die Konzeption und Spannweite dieser neuen Reihe mit „Büchern über und aus Franken“ mit dezidiert fränkischen Autoren und fränkischen Themen. Das reicht von „Das braune Franken“ (Band 8) bis zu „In Franken wieder Heimat finden“ (Sonderband 1). In dem Sammelband zur NS-Zeit zeigt Rainer Hambrecht, der frühere Leiter des Staatsarchivs Coburg, dass die „Brücke Franken“ samt einem ihrer Pfeiler namens Coburg eine entscheidende Station „für Hitlers Weg von München nach Berlin“ war. Und in dem von Hermann Glaser herausgegebenen Sonderband gehen alle Autoren dem „Schicksal von Glaubensflüchtlingen, Heimatvertriebenen, Gastarbeitern, Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden“ in Geschichte und Gegenwart nach – mit viel Empathie und großem menschlichem Verständnis (konsequenterweise fehlt unter den Autoren Godehard Schramm, mit dessen Miniaturen über drei mittelfränkische Landkreise die Reihe „Buchfranken“ noch gestartet ist, der sich aber in seinem 2016 erschienenen Landkreisbuch über Neustadt a.d.Aisch - Bad Windsheim mit fremdenfeindlichen Äußerungen über die gegenwärtige Flüchtlingspolitik ins Abseits geschrieben hat).

(c) Schrenk-Verlag

„Zwischen Furchenglück und Sphärenflug“ heißt ein anderer Band in der Reihe „Buchfranken“ (Band 5), auch wieder neu aufgelegte Essays von Hermann Glaser zur Idyllik bei Jean Paul, Ludwig Richter und Ernst Penzoldt, aber der Titel könnte programmatisch für die ganze Reihe stehen. Das Furchenglück steht für Heimat – aber ohne Tümelei und Engstirnigkeit, Sphärenflug für Überblick und Orientierung in schwierigen Zeiten.

In der Reihe sind bislang drei Staffeln zu je fünf Bänden erschienen (die erste 2016, die zweite im Frühjahr 2017, im Herbst 2017 die dritte), die zusammen ein buntes Panorama fränkischer Kultur eröffnen. Im Bereich der Literatur kann man „auf den Spuren von Hermann Kesten in Franken“ (Band 14) wandeln oder „fränkische Spuren in Lateinamerika“ (Band 13) nachverfolgen. Neben der Prosa von Hermann Glaser gibt es „Gedichte von Vergessenen“ wie Otto Laser, Johannes Wilfert und Hildegard Jahn-Reinke wiederzuentdecken (Band 7). In den literarischen Kontext gehören auch zwei Mainfranken-Reisetagebücher aus den Jahren 1939 und 1940 (Band 2), „Amerikanische Dichter und Denker in Franken“ (Band 4) oder „Die ganze Welt ist Bühne“ über die Theaterlandschaft in Franken (Band 15).

   

(c) Schrenk-Verlag

Das Spektrum fränkischer Kultur reicht aber noch weiter: im Bereich der Technik von Nürnbergs Rolle in der Elektrogeschichte (Band 3/2016) bis zu dem Ingenieurpionier Conrad Georg Kuppler (Band 9/2017); dazu noch zwei Bände mit der Geschichte und Geschichten eines Fußballjahrhunderts („Fußball in Franken“, Band 11 und 12). Schließlich darf beim Thema Kultur das Genüssliche nicht fehlen und so hat Hermann Glaser unter dem Titel „Lukullus in Franken“ (Band 6) noch eine illustrierte Anthologie zu Essen und Trinken zusammengestellt.

Neben den bisher 15 Bänden sind auch zwei Sonderbände erschienen. Neben dem schon erwähnten Sonderband zur Migrationsgeschichte, der noch einmal deutlich zeigt, wie sehr dieses Thema schon immer und im Grunde integrativer Bestandteil unserer Geschichte ist, hat Hermann Glaser als Sonderband 2 unter dem Titel „Lichtbild(n)er“ noch ein „fränkisches Bilderbuch des Meisterphotographen Horst Schäfer“ herausgegeben. Während die ersten Bände vom äußeren Erscheinungsbild noch recht schnell und einfach produziert wirken, hat der Verlag ab Band 11 der ganzen Reihe einen Relaunch verpasst, so dass die Bände mit ihrem nun farbenfroheren Outfit und einer besseren Gestaltung des Layouts im Inneren nun viel ansprechender wirken. Der gute Inhalt hat diese bibliophilere Aufmachung verdient und man darf gespannt sein, wohin die Reise bei dieser Reihe noch gehen wird. Hermann Glaser ist jedenfalls angekommen. Über seinen Wohnort im mittelfränkischen Roßtal heißt es in „Ankommen in R.“ (aus seiner „Familienprosa“): „Heimat ist Ankunft – verweilen will man im Territorium der Seinsgewissheit. Hier ist das Glück konkret zu Hause.“

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Dr. Michael Stephan, 1954 in Stuttgart geboren, aufgewachsen in München und hier lebend; Leiter des Stadtarchivs München; dort Herausgeber der Stadtviertelreihe Zeitreise ins alte München und Autor des Bandes über Schwabing (2015); Mitherausgeber der Reihe Miscellanea Bavarica Monacensia. Viele stadtgeschichtliche Vorträge und Publikationen; einer der Schwerpunkte ist die literarische Szene Münchens (u.a. Franz von Pocci, Henrik Ibsen, Thomas Mann, Georg Queri, Max Halbe und Josef Ruederer). Vorsitzender des Historischen Vereins von Oberbayern; Vorstandsmitglied des Kulturforums der Sozialdemokratie in München und der Franz-Graf-von-Pocci-Gesellschaft; Mitglied der Deutschen Schillergesellschaft und der „Saubande“, dem Freundeskreis des Valentin-Karlstadt-Musäums.