Literarisches Kabarett

Der Zusammenhang von Literatur und Kabarett manifestiert sich exemplarisch in Otto Julius Bierbaums Kulturszene-Schlüsselroman Stilpe aus dem Jahr 1897: „Stilpe war durch die Idee nüchtern geworden, der Zungenschnalzer berauscht. Der Abend endete mit dem festen Beschlusse, keine Zeitschrift, sondern das Literatur-Variété-Theater zu gründen“.

Dieser Roman von Otto Julius Bierbaum, Autor, Verleger und Gründungsmitglied der Satirezeitschrift Simplicissimus sowie der ersten Kabarettbühne in München, Elf Scharfrichter, inspiriert Ernst von Wolzogen zur Gründung der ersten Kabarettbühne in Deutschland, des Überbrettls in Berlin im Jahr 1901.

In München ist Kabarett traditionell stark etabliert. Dies bestätigt Matthias Thiel vom Deutschen Kabarettarchiv in Mainz: „München gehört mit Berlin und Leipzig zu den drei großen traditionellen Kabarettzentren Deutschlands, steht für eine lebendige, sich stets wandelnde, allen Spielarten der Kleinkunst offene Kabarettszene, ist Anziehungspunkt für Künstler aus ganz Deutschland“.

Vor allem mit den Kabarettbühnen Elf Scharfrichter seit 1901 und Simplicissimus, gegründet 1903, verbreitet sich das deutschsprachige Kabarett um die vorletzte Jahrhundertwende zuerst in der bayerischen Landeshauptstadt, neben dem Überbrettl in Berlin von Ernst von Wolzogen und Felix Saltens Zum lieben Augustin in Wien. Nach französischem Vorbild: „Cabaret“ entsteht in Paris im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.

Das kongeniale Bühnenduo Karl Valentin und Liesl Karlstadt wirkt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überwiegend in seiner Heimatstadt München.

Erika und Klaus Manns Pfeffermühle bietet Anfang der 1930er-Jahre der NS-Diktatur humoristisch die Stirn. Nach dem Zweiten Weltkrieg entsteht in München mit der Schaubude das erste literarische Kabarett der Nachkriegszeit.

Seit den 1950er-Jahren existiert in München die Lach- und Schießgesellschaft, eine Kabarettinstitution mit deutschlandweiter Bedeutung. Auch während und nach der Hochzeit der offenen Bühnenszene in München in den 1970er- und 1980er-Jahren, nicht zuletzt mit MUH und Liederbühne Robinson, besteht eine außergewöhnliche Dichte weiterer traditionsreicher Bühnen in der bayerischen Landeshauptstadt, unter anderem mit dem Fraunhofer Theater, dem Schlachthof, und dem Rationaltheater.

Gerhard Polt, Kabarettist und Autor von Büchern, Hörspielen, Theaterstücken und Filmen, ist aktuell der wichtigste Exponent der Szene. Während anfangs noch zwischen „Literarischem Kabarett“ mit Gedichten, Liedern und Prosa und „Politischem Kabarett“ mit Satire und Parodie unterschieden wird, zeigt sich auch anhand des Paradebeispiels Polt, der zugleich Autor und Bühnenkünstler ist: Kabarett ist stets literarisch, da es auf Text beruht, der pointiert auf der Bühne vorgetragen wird, mit direkter Publikumsreaktion. Matthias Thiel vom Deutschen Kabarettarchiv in Mainz spricht sich gegen eine schubladenhafte Trennung aus: „Gutes literarisches Kabarett ist auch politisches Kabarett – und umgekehrt.“

Neben Polt stammt aus München oder wirkt von hier aus eine auffällig hohe Anzahl der gegenwärtig bekanntesten bayerischen und deutschsprachigen Kabarettisten wie Sigi Zimmerschied, Bruno Jonas, Ottfried Fischer, Christian Springer, Helmut Schleich, und Luise Kinseher. Was zeigt: Kabarett wird großgeschrieben in seiner Hochburg München.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Thomas Steierer

Sekundärliteratur:

Literaturliste als PDF

Quelle: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive (DTA)

Judith Kemp: Münchner Lach- und Schießgesellschaft, publiziert am 19.05.2021. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Münchner_Lach-_und_Schießgesellschaft, (01.06.2021).



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(c) Lach- und Schießgesellschaft
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