Murnauer Saalschlacht
Unmittelbar nach der Wiener Premiere von Italienische Nacht am 4. Juli 1931 muss Horváth, der zufällig Zeuge einer Saalschlacht geworden ist, als am 1. Februar 1931 ein SA-Trupp eine sozialdemokratische Veranstaltung im Murnauer Kirchmeir-Saal sprengt, vor Gericht aussagen – am 22. Juli vor einem Weilheimer Schöffengericht und am 29. Oktober im Berufungsverfahren vor dem Landgericht München II. Zunächst wurde in der Horváth-Forschung behauptet, dass seine Erlebnisse während der Saalschlacht in sein Volksstück eingeflossen wären – für den „riesige[n] Tumult vor dem Gartenlokal“ des Josef Lehninger am Ende spricht einiges dafür. Indes die Murnauer Saalschlacht fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Buchausgabe der Italienischen Nacht bereits erschienen war (1930) und die Uraufführungsproben in Berlin gerade begannen. Möglich wäre deshalb nur, dass Horváth unter dem Eindruck der Ereignisse im Laufe der Aufführungsproben den Schluss änderte, später diesen Entschluss wieder verwarf.[1] Eine der vier Schlussvarianten enthält eine Regieanweisung, die eine Saalschlacht zwischen Sozialdemokraten und Faschisten antizipiert:
Ein Faschist aus dem Hintergrunde: Ein Heil unserem unvergleichlichen Führer.
Alle Faschisten, ein Dreizehnjähriger ist auch dabei: Heil! Heil! Heil! Sie singen: „Siegreich wollen wir Frankreich schlagen“.
Martin und seine Kameraden hören es sich zuerst ruhig an, dann kommt aber etwas Bewegung in sie – sie prüfen die Stühle auf ihre Festigkeit, stellen Krüge vor sich hin – werfen mit Bierfilzeln auf den Faschistentisch. Dieses Werfen wird schwach erwidert – ein Kamerad Martins schüttet seinen Krug nach den Faschisten – einer steht auf und krempelt sich die Ärmel hoch –[2]
Wahrscheinlicher jedoch ist, dass eine Auseinandersetzung während einer NSDAP-Veranstaltung in Oberammergau, über die der Staffelsee-Bote am 13. September 1930 berichtete, als Vorlage gedient haben mag.[3] In Horváths Prosaskizze Der mildernde Umstand (1931) über eine „Wahlversammlung in Oberlochhausen“ wird diese Schlägerei eigens behandelt.[4]
[1] Tworek, Elisabeth (2003): Auf den Spuren Ödön von Horváths, S. 181.
[2] Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 3, S. 136.
[3] Tworek-Müller, Elisabeth (1989): Provinz ist überall, S. 52.
[4] Abgedruckt in Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 11, S. 146-148.
Weitere Kapitel:
Unmittelbar nach der Wiener Premiere von Italienische Nacht am 4. Juli 1931 muss Horváth, der zufällig Zeuge einer Saalschlacht geworden ist, als am 1. Februar 1931 ein SA-Trupp eine sozialdemokratische Veranstaltung im Murnauer Kirchmeir-Saal sprengt, vor Gericht aussagen – am 22. Juli vor einem Weilheimer Schöffengericht und am 29. Oktober im Berufungsverfahren vor dem Landgericht München II. Zunächst wurde in der Horváth-Forschung behauptet, dass seine Erlebnisse während der Saalschlacht in sein Volksstück eingeflossen wären – für den „riesige[n] Tumult vor dem Gartenlokal“ des Josef Lehninger am Ende spricht einiges dafür. Indes die Murnauer Saalschlacht fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Buchausgabe der Italienischen Nacht bereits erschienen war (1930) und die Uraufführungsproben in Berlin gerade begannen. Möglich wäre deshalb nur, dass Horváth unter dem Eindruck der Ereignisse im Laufe der Aufführungsproben den Schluss änderte, später diesen Entschluss wieder verwarf.[1] Eine der vier Schlussvarianten enthält eine Regieanweisung, die eine Saalschlacht zwischen Sozialdemokraten und Faschisten antizipiert:
Ein Faschist aus dem Hintergrunde: Ein Heil unserem unvergleichlichen Führer.
Alle Faschisten, ein Dreizehnjähriger ist auch dabei: Heil! Heil! Heil! Sie singen: „Siegreich wollen wir Frankreich schlagen“.
Martin und seine Kameraden hören es sich zuerst ruhig an, dann kommt aber etwas Bewegung in sie – sie prüfen die Stühle auf ihre Festigkeit, stellen Krüge vor sich hin – werfen mit Bierfilzeln auf den Faschistentisch. Dieses Werfen wird schwach erwidert – ein Kamerad Martins schüttet seinen Krug nach den Faschisten – einer steht auf und krempelt sich die Ärmel hoch –[2]
Wahrscheinlicher jedoch ist, dass eine Auseinandersetzung während einer NSDAP-Veranstaltung in Oberammergau, über die der Staffelsee-Bote am 13. September 1930 berichtete, als Vorlage gedient haben mag.[3] In Horváths Prosaskizze Der mildernde Umstand (1931) über eine „Wahlversammlung in Oberlochhausen“ wird diese Schlägerei eigens behandelt.[4]
[1] Tworek, Elisabeth (2003): Auf den Spuren Ödön von Horváths, S. 181.
[2] Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 3, S. 136.
[3] Tworek-Müller, Elisabeth (1989): Provinz ist überall, S. 52.
[4] Abgedruckt in Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 11, S. 146-148.