Caroline Schlegel-Schelling über München

Wir sind alleweile im Karneval begriffen – seltsam genug, dass alle öffentlichen Gesellschaften, Bälle usw. sich auf die kurze Zeit von Heiligdreikönig bis Aschermittwoch beschränken. Jetzt gibt es alle Tage etwas, außerdem aber gar nichts, und den ganzen Winter über nicht einmal ein Konzert ... Hierher darf nun alles kommen und kommt auch alles, der König und die Königin samt dem Hofstaat, Minister usw. sind fast jedesmal da und sitzen gewöhnlich an den ersten Spieltischen hinter den Stühlen, mit den Karten in der Hand einer Pantomime zusehend, die jedesmal in zwei Akten auf dem Theater aufgeführt wird, italienische Possen, recht derbe mitunter mit Arlekin, Pierrot, Pantalone, Colombine in ihren bestimmten Trachten. Dicht am Könige sitzt vielleicht irgendeine dicke Bierbrauersfrau mit goldner Haube und Ketten am Brustlatz – das Gedränge ist entsetzlich, und doch drängt sich alles untereinander durch ... Ganze Masquen haben Zutritt und finden sich auch immer dergleichen ein, um Spaß zu treiben, der durch die Gegenwart der königlichen Familie natürlich im Zaum gehalten wird.

Caroline Schlegel-Schelling an Luise Wiedemann, Brief vom 31. Januar 1807 (Zit. aus: Caroline Schlegel-Schelling an Luise Wiedemann. 31. Januar 1807. In: Caroline Schlegel-Schelling: Briefe aus der Frühromantik. Hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 371ff. u. 488-490)

 

Caroline Schlegel-Schelling (1763-1809), deutsche Schriftstellerin und Ehefrau von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling; Aufenthalt in München: 1803 und 1807

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek