Info
Geb.: 20. 5.1921 in Łódź
Gest.: 26.2.2016 in Frankfurt am Main

Karl Dedecius

Karl Dedecius wird 1921 als Sohn deutscher Eltern in Łódź geboren und wächst zweisprachig auf. Im Jahr 1941 wird er für den Wehrdienst eingezogen. Während des Zweiten Weltkriegs gerät er 1943 in Stalingrad in siebenjährige Kriegsgefangenschaft und wird für den Arbeitsdienst eingezogen. In dieser Zeit fertigt er erste Übersetzungen an und lernt Russisch im Selbststudium. Nach seiner Rückkehr heiratet Dedecius 1950 Elvira Roth, der zuvor die Flucht nach Weimar gelungen ist. Zusammen haben sie zwei Kinder, Octavia und Clemens.

In Weimar arbeitet Dedecius zunächst am Deutschen Theaterinstitut, ehe er mit seiner Familie 1952 in die Bundesrepublik – erst nach Berlin, dann in die Pfalz – zieht. 1954 wird er in Frankfurt am Main Angestellter bei der Allianz Versicherung und bleibt dort bis 1978 in verschiedenen Positionen beschäftigt.

Parallel wird er im Jahr 1959 nebenberuflich als Übersetzer polnischer Literatur tätig. Es erscheint Lektion der Stille als seine erste Übersetzung polnischer Lyrik. Danach folgen zahlreiche Übersetzungen polnischer Lyrik und Prosa ins Deutsche, unter anderem Werke der Nobelpreisträger Czeslaw Miłosz und Wisława Szymborska.

Darüber hinaus ist Dedecius selbst als Literat aktiv und schreibt über die polnische Literatur und Geschichte. Er versteht sich dabei als eine Art kultureller Übersetzer zwischen der deutschen und der polnischen Literatur und Kultur. Stefanie Peter schreibt daher auch in ihrem Nachruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Wie sich polnische Schriftsteller einen Platz in der deutschen Literaturlandschaft erobern konnten, ist untrennbar mit Karl Dedecius verbunden.“ Der Historiker Markus Krzoska sieht in ihm das „Symbol für die deutsch-polnische Annäherung nach 1945“.

Von 1980 bis 1997 leitet Dedecius das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt, welches zum Mittelpunkt der Polonistik avanciert. In dieser Zeit begründet Dedecius auch die Reihe Polnische Bibliothek im Suhrkamp Verlag und das siebenbändige Handbuch Panorama der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts (1996-1999). Etwa zur gleichen Zeit initiiert er die Veröffentlichung deutschsprachiger Literatur in polnischer Sprache in einem Krakauer Verlag.

2006 erscheint Dedecius' autobiographischer Roman Ein Europäer aus Lodz. Er gedenkt darin seiner Kindheit und seiner Berührungen mit der deutschen und polnischen Kultur. In einem zweiten Teil erzählt er von Menschen, vor allem Schriftstellern, die sein Leben geprägt haben.

Karl Dedecius hat diverse Ehrentitel und -preise erhalten, darunter 1967 den Übersetzerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 1968 und 1976 die Exilpolnischen Literaturpreise in New York und Zürich, 1979 den Übersetzerpreis des polnischen Autorenverbandes in Warschau, 1985 das Große Bundesverdienstkreuz, 1990 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1994 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern, 1995 das Große Verdienstkreuz mit Stern der Republik Polen, 1997 den Andreas-Gryphius-Preis, 2000 den Nikolaus-Lenau-Preis, 2003 den Orden des Weißen Adlers der Republik Polen und 2010 den Deutschen Nationalpreis zusammen mit dem polnischen Theologen Alfons Nossol.

Seit 1967 ist Dedecius Mitglied des P.E.N.-Zentrums der Bundesrepublik, seit 1969 der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, seit 1977 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seit 2004 verleiht die Robert-Bosch-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Polen-Institut zu Ehren des großen Literaten den Karl-Dedecius-Preis für Übersetzer.

Im Alter von 94 Jahren verstirbt Karl Dedecius 2016 in Frankfurt am Main.