Info
Geburtsjahr: 1241
Todesjahr: 1280
Codex Manesse, fol. 84v: Ulrich übergibt einem Boten eine Schriftrolle. Das Wappen zeigt den Doppelhaken, das Wappen der Ministerialenfamilie von Schmalegg, in schwarz auf gold.
Namensvarianten: Ulrich Schenk von Winterstetten

Ulrich von Winterstetten

Nach Meinloh von Sevelingen als Vertreter des frühen und Hiltbolt von Schwangau als Vertreter des hohen Minnesangs kann Ulrich von Winterstetten als Repräsentant des späten Minnesangs in Bayerisch Schwaben gesehen werden. Der Dichter gehört dem Geschlecht der Ministerialen von Tanne-Winterstetten-Schmalnegg an, die zu den größten Ministerialenfamilien in Schwaben gehören. Er ist das vierte von elf Kindern Konrads von Schmalnegg, der seit 1243 das Reichsschenkenamt innehat, und der Enkel Konrads von Winterstetten, der als Auftraggeber der bekannten mittelalterlichen Dichter Rudolf von Ems (Wilhelm von Orlens) und Ulrich von Türheim (Tristan, Rennewart) gilt.

1241 bis 1258 in weltlicher Position, ist Ulrich von Winterstetten von 1258 bis 1280 als kirchlicher Amtsträger bezeugt, und zwar als Domherr von Augsburg. In Handschrift C sind insgesamt 40 Lieder und fünf „Leichs“ ─ durchgereimte Gebilde ohne Strophenform, ähnlich den lateinischen Sequenzen ─ unter seinem Namen überliefert. Unter den Liedern befinden sich auch fünf dreistrophige Tagelieder, die die Situation der Liebenden beim Tagesanbruch schildern (VII, XIII, XXVII, XXVIII, XXIX), zwei Dialogreden (IV und XI) sowie eine Frauenklage (XXXVII).

Die meisten von Ulrichs Liedern sind Variationen des hochhöfischen Sangs. In seinen Leichs und Liedern dominiert das Thema der vergeblichen Minnewerbung; in Leich II, III und IV wird die Thematik um einen Natureingang und eine abschließende Tanzaufforderung des Sängers ergänzt. Die formale Virtuosität zeigt sich in der komplexen Architektonik, der Zergliederung der Verse in kleinste formale Einheiten, die bei Ulrich zu einem „Spiel mit Sprache“ gerät und ihn von seinen Vorgängern abhebt (Rachel Raumann). Kontrastierend zum hochhöfischen Sang stehen die Frauenklage, in der eine maget (junge unverheiratete Frau) den Niedergang männlicher Sitten und des Minnesangs bedauert, und die beiden Dialoglieder, von denen Lied IV in Neidhart-Manier ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter darstellt.

 

Schmalegg: Schenkenbrunnen, der den Minnesänger Ulrich von Winterstetten darstellt. Entwurf von Klaus Fix, 1988.

Während Ulrich in seinen Tageliedern auf den von Wolfram von Eschenbach entwickelten Typ zurückgreift und in der Figur der Dienerin (XXIX) ebenso den Einfluss Ulrichs von Liechtenstein erkennen lässt, zeigen die Werbelieder, insbesondere die fünfstrophigen Kanzonen, meist den Aufbau von Natureingang, Klage und Frauenpreis ─ wie bei Gottfried von Neifen begegnen hier Sommer- und Winterlieder. Ulrichs von Winterstetten wichtigster Beitrag zur Geschichte der höfischen Lyrik liegt allerdings in der nahezu ausnahmslosen Verwendung von Strophen mit Refrain.

In seiner schwäbischen Heimat wird seiner seit seiner Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert durch die regionale Literatur- bzw. Lokalgeschichte gedacht. Die Erzählung Die feindlichen Brüder von Winterstetten (1948) der oberschwäbischen Schriftstellerin Maria Müller-Gögler schildert einen Streit zwischen Ulrich und seinem Bruder Konrad (in diesem Zusammenhang sei Ulrichs Totenklage „bruoder tôt“ auf seinen Bruder Eberhard [nach 1266] erwähnt). Im Rathaus in Winterstettenstadt befindet sich ein der Miniatur Ulrichs im Codex Manesse nachempfundenes Wandgemälde, der Dorfbrunnen von Schmalegg zeigt ihn als Minnesänger mit einer Laute, und beim Ravensburger Rutenfest hält eine Festzugsgruppe die Erinnerung an Ulrich wach.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Bumke, Joachim (20044): Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 311f.

Burdach, Konrad: Schenk von Winterstetten, Ulrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (1890), S. 68-73, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118763601.html?anchor=adb, (11.05.2014).

Pörnbacher, Hans (2002): Schwäbische Literaturgeschichte. Tausend Jahre Literatur aus Bayerisch Schwaben. Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn, S. 42.

Raumann, Rachel (2011): Ulrich von Winterstetten. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston. URL: http://www.degruyter.com.vdbo.emedia1.bsb-muenchen.de/view/VDBO/vdbo.killy.6875, (11.05.2014).


Externe Links:

Literatur von Ulrich von Winterstetten im BVB

Literatur über Ulrich von Winterstetten im BVB

Ulrich von Winterstetten im BMLO

Nachdichtungen

Tanzen und Singen : Leichs von Ulrich von Winterstetten, Heinrich von Sax sowie dem Tannhäuser und die Frage nach dem rituellen Status des Minnesangs

Burg Winterstetten, die Schenkenburg