Richard Billinger
Richard Billinger wird als Sohn eines Bauern und Kaufmanns geboren. Nach dem Willen der Eltern soll er Priester werden, der Weg ins Linzer Kollegium Petrinum bleibt dem verträumten Knaben allerdings verschlossen, wegen einer sittlichen Verfehlung wird er relegiert. Er besucht das Gymnasium in Ried und die Universität in Innsbruck, Kiel und Wien, um Germanistik und Philosophie zu studieren.
Billinger macht keine Anstalten zu einem vernünftigen Beruf; lieber sitzt er in Caféhäusern, liest Zeitungen und verfasst mündlich Gedichte über die Heimat und das bäuerliche Leben daheim. In Wien findet er schließlich Gönner, die an seine dichterische Bestimmung glauben und seine täglichen Caféhausbesuche finanzieren. Seine Begegnung mit Max Mell und Hugo von Hofmannsthal wird für ihn entscheidend: 1922 und 1923 kommen die ersten beiden Gedichtbände heraus, Lob Gottes und Über die Äcker, für den er ein Jahr später den Dichterpreis der Stadt Wien erhält.
Seinen eigentlichen Durchbruch als Schriftsteller erreicht Billinger mit der Uraufführung seines Dramas Perchtenspiel bei den Salzburger Festspielen 1928. Das an den Melusinenstoff anklingende Stück verbindet Züge des biedermeierlichen Zauberspiels mit Billingers eigenem, mythischem Realismus. Bereits hier werden alle Motive angesprochen, die sich in seinen späteren Stücken finden lassen: „Der durch Fortgehen und Wiederkehren akzentuierte und psychologisierte Konflikt von Stadt und Land, der Niedergang bäuerlicher Lebensweise vor dem Hintergrund dramatischer gesellschaftlicher Veränderungen, das Fortleben einer vermeintlich ,heidnischen‘ Mythologie im Widerstreit mit dem allgegenwärtigen, barock gezeichneten Katholizismus, der sich nicht zuletzt immer wieder in der ungestüm ausbrechenden Triebhaftigkeit der Akteure spiegelt.“ (Siegfried Wagner)
1931 geht das Spiel Rosse, das im Haus des Münchner Bildhauers Richard Knecht entsteht, über die Bühne des Münchner Residenztheaters. Im selben Jahr wird die Rauhnacht an den Münchner Kammerspielen unter der Regie Otto Falckenbergs und in der Ausstattung Alfred Kubins als „bayerische Gespenstersonate“ (Wolfgang Johannes Bekh) unmittelbar neben August Strindbergs Gespenstersonate inszeniert: Ein Volksbrauch, das Rauhnachtstreiben, bei dem maskierte Knechte und Mägde von Hof zu Hof ziehen, wird für Billinger zur Seelenschau für menschliche Triebe. Für dieses Stück erhält er 1932 den Kleist-Preis.
Mit seinen Dramen wird Billinger über die Grenzen des Innviertels hinaus bekannt, er avanciert neben Carl Zuckmayer, bei dem er fast ein Jahrzehnt Sommergast in dessen Haus „Wiesmühl“ in Henndorf bei Salzburg ist, zum meistgespielten Bühnenautor seiner Zeit. Werke wie Die Hexe von Passau (1935) oder die Ballade Der Gigant (1937) werden zu Höhepunkten seines Schaffens. Allerdings rückt ihn das zugleich in die Nähe der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten: Der Gigant dient als Vorlage für den NS-Propagandafilm Die goldene Stadt (1942) von Veit Harlan. Abgesehen von seiner irrational-mystifizierenden Darstellungsweise und krampfhaften Erdgebundenheit lässt Billinger sich von den Nationalsozialisten indirekt vereinnahmen und ist als Mitläufer literarischer Spitzenverdiener (wegen seiner Homosexualität sitzt er gleichwohl 1935 vorübergehend in München in Haft).
Mit seinen Romanen, dem schon 1927 niedergeschriebenen Buch Das verschenkte Leben, der Kindheitsgeschichte Die Asche des Fegefeuers (1931) oder dem späten Erinnerungsepos Palast der Jugend (1946), erweist sich Billinger zudem als hervorragender Erzähler. Neben literarischen Vorlagen für Filme schreibt er eigene Drehbücher, so für Luis Trenkers Der Berg ruft. Für Rundfunk und Fernsehen in München entstehen daneben zahlreiche Hörspiele (Nebel über See, Der Bauer und die Windsbraut, Die Bauernpassion, Das Spiel von der Barmherzigkeit u.a.).
Seit 1939 lebt Billinger in einem kleinen Haus in Niederpöcking am Starnberger See – dem Heimatdorf Sankt Marienkirchen ist er nach dem Tode der Eltern ferngeblieben. Sommers übernachtet er in Hartkirchen bei seiner alten Kramerbase Anna Amerstorfer. Nach dem Krieg lässt er sich in Hamburg, dann zusammen mit seinem Lebensgefährten in Niederpöcking nieder und verfasst weitere Hörspiele. Den Lebensabend verbringt er in Linz. Mit Rotwein sucht er sein Leben erträglich zu machen, schreibt Gedichte und Bettelbriefe auf Bierzettel.
Nach einem Beschluss des oberösterreichischen Landtags bekommt er seit 1954 auf Lebenszeit eine monatliche Ehrengabe von 2000 Schilling. Weiter erhält er den Grillparzer-Preis, 1961 wird er ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 1962 zum Professor ernannt.
In Hartkirchen liegt er begraben.
Sekundärliteratur:
Bekh, Wolfgang Johannes (2004): Richard Billinger (20.7.1890 – 7.6.1965). Sichel am Himmel. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 129-131.
Billinger, Richard. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000001326, (20.11.2011).
Kraft, Thomas (Hg.) (2003): Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 1. Nymphenburger Verlag, München.
Landstrich (Hg.) (1990): Richard Billinger. 1890 – 1965 (Landstrich, 13). Landstrich, Schärding und Passau.
Externe Links:
Literatur von Richard Billinger im BVB
Richard Billinger wird als Sohn eines Bauern und Kaufmanns geboren. Nach dem Willen der Eltern soll er Priester werden, der Weg ins Linzer Kollegium Petrinum bleibt dem verträumten Knaben allerdings verschlossen, wegen einer sittlichen Verfehlung wird er relegiert. Er besucht das Gymnasium in Ried und die Universität in Innsbruck, Kiel und Wien, um Germanistik und Philosophie zu studieren.
Billinger macht keine Anstalten zu einem vernünftigen Beruf; lieber sitzt er in Caféhäusern, liest Zeitungen und verfasst mündlich Gedichte über die Heimat und das bäuerliche Leben daheim. In Wien findet er schließlich Gönner, die an seine dichterische Bestimmung glauben und seine täglichen Caféhausbesuche finanzieren. Seine Begegnung mit Max Mell und Hugo von Hofmannsthal wird für ihn entscheidend: 1922 und 1923 kommen die ersten beiden Gedichtbände heraus, Lob Gottes und Über die Äcker, für den er ein Jahr später den Dichterpreis der Stadt Wien erhält.
Seinen eigentlichen Durchbruch als Schriftsteller erreicht Billinger mit der Uraufführung seines Dramas Perchtenspiel bei den Salzburger Festspielen 1928. Das an den Melusinenstoff anklingende Stück verbindet Züge des biedermeierlichen Zauberspiels mit Billingers eigenem, mythischem Realismus. Bereits hier werden alle Motive angesprochen, die sich in seinen späteren Stücken finden lassen: „Der durch Fortgehen und Wiederkehren akzentuierte und psychologisierte Konflikt von Stadt und Land, der Niedergang bäuerlicher Lebensweise vor dem Hintergrund dramatischer gesellschaftlicher Veränderungen, das Fortleben einer vermeintlich ,heidnischen‘ Mythologie im Widerstreit mit dem allgegenwärtigen, barock gezeichneten Katholizismus, der sich nicht zuletzt immer wieder in der ungestüm ausbrechenden Triebhaftigkeit der Akteure spiegelt.“ (Siegfried Wagner)
1931 geht das Spiel Rosse, das im Haus des Münchner Bildhauers Richard Knecht entsteht, über die Bühne des Münchner Residenztheaters. Im selben Jahr wird die Rauhnacht an den Münchner Kammerspielen unter der Regie Otto Falckenbergs und in der Ausstattung Alfred Kubins als „bayerische Gespenstersonate“ (Wolfgang Johannes Bekh) unmittelbar neben August Strindbergs Gespenstersonate inszeniert: Ein Volksbrauch, das Rauhnachtstreiben, bei dem maskierte Knechte und Mägde von Hof zu Hof ziehen, wird für Billinger zur Seelenschau für menschliche Triebe. Für dieses Stück erhält er 1932 den Kleist-Preis.
Mit seinen Dramen wird Billinger über die Grenzen des Innviertels hinaus bekannt, er avanciert neben Carl Zuckmayer, bei dem er fast ein Jahrzehnt Sommergast in dessen Haus „Wiesmühl“ in Henndorf bei Salzburg ist, zum meistgespielten Bühnenautor seiner Zeit. Werke wie Die Hexe von Passau (1935) oder die Ballade Der Gigant (1937) werden zu Höhepunkten seines Schaffens. Allerdings rückt ihn das zugleich in die Nähe der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten: Der Gigant dient als Vorlage für den NS-Propagandafilm Die goldene Stadt (1942) von Veit Harlan. Abgesehen von seiner irrational-mystifizierenden Darstellungsweise und krampfhaften Erdgebundenheit lässt Billinger sich von den Nationalsozialisten indirekt vereinnahmen und ist als Mitläufer literarischer Spitzenverdiener (wegen seiner Homosexualität sitzt er gleichwohl 1935 vorübergehend in München in Haft).
Mit seinen Romanen, dem schon 1927 niedergeschriebenen Buch Das verschenkte Leben, der Kindheitsgeschichte Die Asche des Fegefeuers (1931) oder dem späten Erinnerungsepos Palast der Jugend (1946), erweist sich Billinger zudem als hervorragender Erzähler. Neben literarischen Vorlagen für Filme schreibt er eigene Drehbücher, so für Luis Trenkers Der Berg ruft. Für Rundfunk und Fernsehen in München entstehen daneben zahlreiche Hörspiele (Nebel über See, Der Bauer und die Windsbraut, Die Bauernpassion, Das Spiel von der Barmherzigkeit u.a.).
Seit 1939 lebt Billinger in einem kleinen Haus in Niederpöcking am Starnberger See – dem Heimatdorf Sankt Marienkirchen ist er nach dem Tode der Eltern ferngeblieben. Sommers übernachtet er in Hartkirchen bei seiner alten Kramerbase Anna Amerstorfer. Nach dem Krieg lässt er sich in Hamburg, dann zusammen mit seinem Lebensgefährten in Niederpöcking nieder und verfasst weitere Hörspiele. Den Lebensabend verbringt er in Linz. Mit Rotwein sucht er sein Leben erträglich zu machen, schreibt Gedichte und Bettelbriefe auf Bierzettel.
Nach einem Beschluss des oberösterreichischen Landtags bekommt er seit 1954 auf Lebenszeit eine monatliche Ehrengabe von 2000 Schilling. Weiter erhält er den Grillparzer-Preis, 1961 wird er ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 1962 zum Professor ernannt.
In Hartkirchen liegt er begraben.
Bekh, Wolfgang Johannes (2004): Richard Billinger (20.7.1890 – 7.6.1965). Sichel am Himmel. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 129-131.
Billinger, Richard. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000001326, (20.11.2011).
Kraft, Thomas (Hg.) (2003): Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 1. Nymphenburger Verlag, München.
Landstrich (Hg.) (1990): Richard Billinger. 1890 – 1965 (Landstrich, 13). Landstrich, Schärding und Passau.