Johann Michael Sailer
Johann Michael (von) Sailer (geadelt 1825) wird als viertes und letztes Kind des Kleinbauern und Dorfschusters Andreas Sailer und dessen Frau Maria, geb. Reisner, 1751 in Aresing bei Schrobenhausen in der Diözese Augsburg geboren. Nach dem Abitur am Münchener Jesuitengymnasium verbringt Sailer sein Noviziat in Landsberg am Lech (1770-1772) und studiert seit 1772 Theologie in Ingolstadt. Er wird zum Priester geweiht (1775) und Repetitor für Philosophie (1777), bis er 1780 zum zweiten Professor der Dogmatik neben seinem Lehrer Benedikt Stattler berufen wird. Im selben Jahr erhält er die Promotion zum Dr. theol. Aufgrund von Sparmaßnahmen als „Exjesuit“ und „Obskurant“ vorzeitig entlassen, übersiedelt Johann Michael Sailer 1783 nach Augsburg, wo er sein sehr erfolgreiches Vollständiges Lese- und Betbuch zum Gebrauche der Katholiken publiziert, das ihm u.a. eine Professur für Moral- und Pastoraltheologie in Dillingen einbringt (1784). Weil er als „Illuminat“ und Aufklärer verdächtigt wird, verliert er diesen Posten zehn Jahre später.
Nach Jahren in Ebersberg, wo er die Nachfolge Christi des Thomas von Kempen übersetzt, eine sechsbändige Sammlung von Briefen aus allen Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung veröffentlicht und die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola bearbeitet, wird Sailer 1799 vom bayerischen Kurfürsten Max IV. Joseph an die Landesuniversität Ingolstadt (ab 1800 nach Landshut verlegt) berufen. Die sich bereits in Dillingen abzeichnende sog. Priesterschule Sailers kommt in Landshut zur vollen Entfaltung: die späteren Bischöfe Schwäbl, Oettl, Reisach, die Theologen Buchner, Deutinger, Gügler und Widmer zählen zu seinen Schülern. Ab 1803 unterrichtet Sailer zudem den bayerischen Kronprinzen Ludwig, der bei ihm Privatkollegien über die „Moral des Regenten in christlichen Maximen“ und Erläuterungen zum Evangelium hört. Wichtige Werke Sailers entstehen in dieser Zeit: die pädagogische Schrift Ueber die Erziehung für Erzieher (1807) sowie das Handbuch der christlichen Moral (3 Bde., 1817), das – formal und methodisch ein völliger Neubeginn in der katholischen Moraltheologie – gegen die Autonomie des Gesetzes bei Kant die Theonomie des Gewissensgesetzes setzt und damit ein rein innerweltliches Gewissensverständnis überwindet (B. Jendrosch). Als Vorkämpfer einer neuen, auf Offenbarung und Gnade zielenden Religiosität wird Johann Michael Sailer zum Zentrum der geistigen Erneuerungsbewegung der „Landshuter Romantik“.
Die Ablehnung Sailers für den Augsburger Bischofsstuhl empfindet der bayerische Kronprinz Ludwig, der in Sailer einen „Apostel Bayerns“ erblickt, als persönliche Kränkung, woraufhin König Max I. Joseph auf sein Drängen hin Sailer ins Domkapitel von Regensburg beruft. Dort wird Sailer 1822 zum Weihbischof und Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge erhoben; 1829 ist er dann Bischof von Regensburg. Bereits im Juli 1828 erleidet Sailer jedoch einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholt. Er stirbt am 19. Mai 1832 und wird am 23. Mai im vorderen südlichen Seitenschiff des Regensburger Doms beigesetzt.
Aus der Aufklärung der Generation Westenrieders kommend, durch sein anziehendes Wesen, seine pastoral orientierte Theologie und konfessionell-irenische Gesinnung übt Sailer auf seine Zeit und Generationen von Schülern einen besonderen – nicht zuletzt kulturpolitischen – Einfluss aus. Seine akademischen Vorlesungen ziehen viele Hörer an und begeistern in der „Wärme des Tones“ (Christoph von Schmid). Unter dem umfangreichen literarischen Werk (Sämtliche Werke, hg. von J. Widmer, 40 Bde., 1830/45) rühmt der Philosoph und Schriftsteller Friedrich Heinrich Jacobi seine Grundlehren der Religion (1805), worin Sailer die menschlichen Grundbedürfnisse nach Wahrheit, Heiligkeit und Seligkeit religiös behandelt, als eines der besten Bücher in deutscher Sprache. Die Sprichwörtersammlung Die Weisheit auf der Gasse (1810) ist Sailers dichterischer Beitrag zur deutschen Romantik.
Sekundärliteratur:
Moisy, Sigrid von (Hg.) (1984): Von der Aufklärung zur Romantik. Geistige Strömungen in München [Ausstellung München 26.6.-24.8.1984] (Ausstellungskataloge / Bayerische Staatsbibliothek, 29). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 141-148 u.ö.
Wolf, Hubert: Sailer, Johann Michael von. In: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 356f., http://www.deutsche-biographie.de/ppn118604872.html, (15.07.2015).
Externe Links:
Literatur von Johann Michael Sailer im BVB
Literatur über Johann Michael Sailer im BVB
Johann Michael Sailer in der BLO
Bischof Johann Michael Sailer (Seminararbeit der HS Benediktbeuern)
Johann Michael (von) Sailer (geadelt 1825) wird als viertes und letztes Kind des Kleinbauern und Dorfschusters Andreas Sailer und dessen Frau Maria, geb. Reisner, 1751 in Aresing bei Schrobenhausen in der Diözese Augsburg geboren. Nach dem Abitur am Münchener Jesuitengymnasium verbringt Sailer sein Noviziat in Landsberg am Lech (1770-1772) und studiert seit 1772 Theologie in Ingolstadt. Er wird zum Priester geweiht (1775) und Repetitor für Philosophie (1777), bis er 1780 zum zweiten Professor der Dogmatik neben seinem Lehrer Benedikt Stattler berufen wird. Im selben Jahr erhält er die Promotion zum Dr. theol. Aufgrund von Sparmaßnahmen als „Exjesuit“ und „Obskurant“ vorzeitig entlassen, übersiedelt Johann Michael Sailer 1783 nach Augsburg, wo er sein sehr erfolgreiches Vollständiges Lese- und Betbuch zum Gebrauche der Katholiken publiziert, das ihm u.a. eine Professur für Moral- und Pastoraltheologie in Dillingen einbringt (1784). Weil er als „Illuminat“ und Aufklärer verdächtigt wird, verliert er diesen Posten zehn Jahre später.
Nach Jahren in Ebersberg, wo er die Nachfolge Christi des Thomas von Kempen übersetzt, eine sechsbändige Sammlung von Briefen aus allen Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung veröffentlicht und die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola bearbeitet, wird Sailer 1799 vom bayerischen Kurfürsten Max IV. Joseph an die Landesuniversität Ingolstadt (ab 1800 nach Landshut verlegt) berufen. Die sich bereits in Dillingen abzeichnende sog. Priesterschule Sailers kommt in Landshut zur vollen Entfaltung: die späteren Bischöfe Schwäbl, Oettl, Reisach, die Theologen Buchner, Deutinger, Gügler und Widmer zählen zu seinen Schülern. Ab 1803 unterrichtet Sailer zudem den bayerischen Kronprinzen Ludwig, der bei ihm Privatkollegien über die „Moral des Regenten in christlichen Maximen“ und Erläuterungen zum Evangelium hört. Wichtige Werke Sailers entstehen in dieser Zeit: die pädagogische Schrift Ueber die Erziehung für Erzieher (1807) sowie das Handbuch der christlichen Moral (3 Bde., 1817), das – formal und methodisch ein völliger Neubeginn in der katholischen Moraltheologie – gegen die Autonomie des Gesetzes bei Kant die Theonomie des Gewissensgesetzes setzt und damit ein rein innerweltliches Gewissensverständnis überwindet (B. Jendrosch). Als Vorkämpfer einer neuen, auf Offenbarung und Gnade zielenden Religiosität wird Johann Michael Sailer zum Zentrum der geistigen Erneuerungsbewegung der „Landshuter Romantik“.
Die Ablehnung Sailers für den Augsburger Bischofsstuhl empfindet der bayerische Kronprinz Ludwig, der in Sailer einen „Apostel Bayerns“ erblickt, als persönliche Kränkung, woraufhin König Max I. Joseph auf sein Drängen hin Sailer ins Domkapitel von Regensburg beruft. Dort wird Sailer 1822 zum Weihbischof und Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge erhoben; 1829 ist er dann Bischof von Regensburg. Bereits im Juli 1828 erleidet Sailer jedoch einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholt. Er stirbt am 19. Mai 1832 und wird am 23. Mai im vorderen südlichen Seitenschiff des Regensburger Doms beigesetzt.
Aus der Aufklärung der Generation Westenrieders kommend, durch sein anziehendes Wesen, seine pastoral orientierte Theologie und konfessionell-irenische Gesinnung übt Sailer auf seine Zeit und Generationen von Schülern einen besonderen – nicht zuletzt kulturpolitischen – Einfluss aus. Seine akademischen Vorlesungen ziehen viele Hörer an und begeistern in der „Wärme des Tones“ (Christoph von Schmid). Unter dem umfangreichen literarischen Werk (Sämtliche Werke, hg. von J. Widmer, 40 Bde., 1830/45) rühmt der Philosoph und Schriftsteller Friedrich Heinrich Jacobi seine Grundlehren der Religion (1805), worin Sailer die menschlichen Grundbedürfnisse nach Wahrheit, Heiligkeit und Seligkeit religiös behandelt, als eines der besten Bücher in deutscher Sprache. Die Sprichwörtersammlung Die Weisheit auf der Gasse (1810) ist Sailers dichterischer Beitrag zur deutschen Romantik.
Moisy, Sigrid von (Hg.) (1984): Von der Aufklärung zur Romantik. Geistige Strömungen in München [Ausstellung München 26.6.-24.8.1984] (Ausstellungskataloge / Bayerische Staatsbibliothek, 29). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 141-148 u.ö.
Wolf, Hubert: Sailer, Johann Michael von. In: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 356f., http://www.deutsche-biographie.de/ppn118604872.html, (15.07.2015).