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Geb.: 24. 2.1939 in Augsburg
Foto: Heike Bogenberger

Keto von Waberer

Die Tochter eines bolivianischen Architekten und einer Deutschen verlebt ihre Kindheit in einem Tiroler Dorf bei Kufstein. Nach der Internatszeit auf dem fränkischen Schloss Schwarzenberg studiert sie Kunst und Architektur in München und Mexiko-City. Sie heiratet dort und verbringt mehrere Jahre mit ihrer Familie in Mexiko und den USA.

Nach ihrer Rückkehr in Deutschland arbeitet Keto von Waberer als Architektin, Galeristin und Übersetzerin. Als Journalistin liefert sie viele Jahre Glossen an die Zürcher Weltwoche, für Kunstzeitschriften Interviews mit Künstlern wie Joseph Beuys, Keith Haring und Ed Kienholz, ehe sie sich mit literarischen Werken in der Öffentlichkeit einen Namen macht. 1995 hat sie eine Gastdozentur an der Universität Essen inne. Seit 1998 lehrt sie an der Hochschule für Fernsehen und Film München das Fach Creative Writing. Zudem gibt sie Kurse und Seminare für Kurzprosa und Kreatives Schreiben an der LMU München (2006/07) und am Literaturhaus München (2008).

Ihre eigene Biografie und deren wechselnde, zum Teil exotische Schauplätze sind für Keto von Waberer „Vorratskammer“ vor allem im Hinblick auf Gefühle und Erinnerungen, die in ihren Texten zum Anlass von Wiedersehen und Zurückverfolgen, von Schon-einmal-Gefühlten und -Gesehenen werden. Besonders auf die Ausgestaltung der Übergänge der verschiedenen Wahrnehmungsschichten, der Ebenen zwischen Traum und Wirklichkeit, kommt es der Autorin an. Dabei stehen die Frauen zumeist im Vordergrund der Handlung, im Hintergrund agieren aber auch (deren) Männer; aus ihrer anfänglich passiven Rolle werden die Frauen in den Texten Waberers zunehmend herausgeführt.

Ihr erzählerisches Debüt gibt Keto von Waberer mit dem Band Der Mann aus dem See (1983). Darin erzählt sie Schlüsselgeschichten, die das weitere Leben der Frauen entscheidend beeinflussen. Die große Erzählung Heuschreckenhügel (1984) spielt in Mexiko und thematisiert den schmerzlich missglückten Integrationsversuch einer jungen Deutschen im fremden Kulturkreis (pars pro toto steht der „Heuschreckenhügel“ Chapultepec, der Park der Indianer in Mexiko-City). In Die heimliche Wut der Pflanzen (1985) rücken Träume, Erinnerungen und Assoziationen wieder stärker in den Mittelpunkt; die Veränderung bzw. Vertiefung der Selbstwahrnehmung, von Wünschen und Ängsten durch eine erotische Verstrickung ist zugleich Grundmotiv und Bindeglied der heterogenen Geschichten. Als Reise in die Vergangenheit ist Keto von Waberers erster Roman Blaue Wasser für eine Schlacht (1987) gestaltet. Drei Generationen von Frauen sind in einem Gefühlsnetz von Zärtlichkeit und Heuchelei, von Liebe, Verschleierung und Verstörung aneinander gebunden; Bettina, die aktivere und vorläufig letzte in der Generationenreihe, sucht der Erkenntnis, „daß alles immer so weiter geht und immer so weiter“, etwas entgegenzusetzen. Waberers Liebesgeschichten Der Schattenfreund (1988) und Fischwinter (1990) leben von dem Interesse der „Liebesforscherin“ (Michael Krüger) für das, was Menschen sich im Namen der Liebe antun, und loten zugleich die Grenzen der Liebe neu aus, indem sie auf ein weites Spektrum zumeist weiblicher Erfahrungen zurückgreifen, die Protagonisten von der Realität abheben lassen und als Gewachsene in ihren Alltag entlassen.

In den 1999 und 2000 erschienenen Erzählbänden Das Weiß im Auge des Feindes bzw. Die Mysterien eines Feinkostladens fasziniert dagegen die dunkle und zerstörerische Macht der Liebe. Der autobiografische Roman Schwester (2002) berichtet von einer symbiotischen Geschwisterbeziehung, von Liebe und Hass, Sorge und Gleichgültigkeit, um die Komplexität der Beziehung in ihrer Widersprüchlichkeit aufzuzeigen. In den Erzählungen Umarmungen (2007) zeigt Waberer erneut, wie unberechenbar die Begegnungen zwischen Mann und Frau sein können und dass dauerhaftes Glück unmöglich ist.

Für ihr Werk hat Keto von Waberer viele Auszeichnungen erhalten, u.a. den Förderungspreis der Stadt München (1983), den Schwabinger Kunstpreis (1988), das Märkische Stipendium für Literatur (1990), den Montblanc-Literaturpreis (1992), das Förderstipendium Darmstadt (1993) sowie den Ernst-Hoferichter-Preis (1996).

Dem konsequent aus kindlicher Perspektive erzählten Roman Seltsame Vögel fliegen vorbei (2011), für den sie 2011 den Literaturpreis der Stadt München erhält, ist so etwas wie der Urtext zum gesamten literarischen Werk eingeschrieben. In der Jurybegründung heißt es: „In ihrem jüngsten Buch Seltsame Vögel fliegen vorbei gelingt ihr – wie in ihrem Roman Schwester – die magische Beschwörung einer Kindheit und die Rekonstruktion einer Familienbeziehung durch einen virtuosen Wechsel von Blicken aus der Nähe und aus der Distanz.“

Neben Erzählungen und Romanen schreibt Keto von Waberer auch Kinderbücher (Simon. Die Abenteuer eines Tapirs, 1998; Die Kuh aus dem Meer, 2011). 2012 erscheint ihr Jugendbuch Mingus.

Die Autorin ist seit 1988 Mitglied des P.E.N. und lebt in München.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Borries, Mechthild; Hunfeld, Hans (Hg.) (1992): Keto von Waberer (Pädagogische Verbindungsarbeit: Werkheft Literatur). Iudicium Verlag, München.

Hagestedt, Lutz (2003): Königsbraut und Gartenfreuden. Erotisches Erzählen bei Keto von Waberer und E. T. A. Hoffmann. In: Kalkuhl, Christina; Solms, Wilhelm (Hg.): Lustfallen. Aisthesis Verlag, Bielefeld, S. 89-102.

Pedarnig, Dietlind; Ziegler, Edda (Hg.) (2013): Bayerische Schriftstellerinnen. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 223-232.

Waberer, Keto von. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000020231, (08.12.2012).


Externe Links:

Literatur von Keto von Waberer im BVB

Literatur über Keto von Waberer im BVB

Homepage der Autorin

Youtube-Video zu Mingus