Info
Geb.: 7. 8.1883 in Wurzen
Gest.: 17.11.1934 in Berlin
Fotografie (Bayerische Staatsbibliothek München/Hoffmann)
Namensvarianten: Hans Gustav Bötticher; Pinko Meyer, Fritz Dörry, Joachim Ringelnatz, Gustav Hester

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher alias Joachim Ringelnatz wird als jüngstes von drei Geschwistern in Wurzen bei Leipzig geboren. Sein Vater, ein Musterzeichner mit erfolgreichem Atelier, entstammt einer angesehenen thüringischen Gelehrtenfamilie; außerdem verfasst er als Unterhaltungsschriftsteller humorige Texte besonders für Kinder und Jugendliche. Böttichers Mutter, Tochter eines Sägewerksbesitzers, zeichnet ebenfalls, entwirft Muster für Perlstickereien und stellt Puppenbekleidung her.

1886/87 zieht die Familie nach Leipzig um. Hans Bötticher verfasst für seinen Vater das Werk Landpartie für Tiere, dichtet und zeichnet seit frühester Jugend. Nach Abschluss der wenig erfolgreichen Schulzeit mit dem Einjährigen-Freiwilligen-Examen will Bötticher zur See fahren. Von April bis September 1901 arbeitet er als Schiffsjunge, doch seine Erfahrungen auf See sind ernüchternd. Ende des Jahres verdingt er sich in „Malferteiners Schlangenbude“ auf dem Hamburger „Dom“ (einer von ca. 35 Nebenberufen während seiner Seemannszeit), sein Ostermärchen mit Illustrationen von P. Krieger und zwei Geschichten Vom Alten Fritz erscheinen in Auerbach's Deutschem Kinderkalender.

1903 macht er eine kaufmännische Lehre bei einer Hamburger Speditionsfirma. Den Matrosenberuf kann er wegen mangelnder Sehschärfe nicht ausüben; gleichwohl absolviert Bötticher noch die Qualifikationsfahrt für den Militärdienst bei der Kaiserlichen Marine und lässt sich bis zum Bootsmaat ausbilden. Nach Fortsetzung seiner Kaufmannslehre bei einer Dachpappenfirma malt Bötticher die ersten bekannten Ölbilder und arbeitet seit 1907/08 als Commis in Leipzig und Frankfurt am Main.

In München versucht er sich als Buchhalter im Reisebüro Bierschenk, scheitert aber. Er publiziert Gedichte, Witze, Anekdoten sowie das Märchen Der ehrliche Seemann in der satirischen Wochenschrift Grobian. Erste Auftritte hat er 1909 bei Kathi Kobus in der Schwabinger Künstlerkneipe „Simplicissimus“ („Simpl“). Dort wird er auch zum Hausdichter ernannt. Bötticher gehört zum  Freundeskreis um Carl Georg von Maassen, Erich Mühsam, Frank Wedekind u.a. an; sein Versuch, ein Tabakhaus unter dem gleichen Namen „Zum Hausdichter“ als Treffpunkt der gebildeten Rauchwelt Münchens zu eröffnen, geht jedoch nicht in Erfüllung. Bötticher veröffentlicht weiterhin Gedichte in der satirischen Zeitschrift Simplicissimus und verwendet u.a. die Pseudonyme Pinko Meyer und Fritz Dörry. Die Novelle Die wilde Miß vom Ohio erscheint in der Zeitschrift Die Jugend.

1911 hält er sich in Tirol und Lettland auf, wo er den Sommer auf dem kurländischen Gut Halwigshof verbringt und zwei Landschaftsbilder verkauft. Von Februar bis Dezember 1912 ist er Bibliothekar beim Grafen Yorck von Wartenburg auf dem Schloß Klein-Oels, von Januar bis März 1913 beim Kammerherrn Börries Frhr. von Münchhausen. Danach arbeitet er als Burgfremdenführer und belegt einen Kurs zum Schaufensterdekorateur in München.

Während des Ersten Weltkrieges ist Bötticher bei der Kriegsmarine in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Kiel, Warnemünde, an der Memel und in Litauen stationiert. Unter großen Anstrengungen steigt er zum Offiziersrang auf, ab 1917 ist er Leutnant zur See und Kommandant eines Minensuchboots. Zu Weihnachten gibt er eine Weihnachtszeitung heraus, auch publiziert er Kriegsnovellen in verschiedenen Zeitschriften.

1919 geht er nach Berlin und beendet zwei (verschollene) Schauspiele. Joachim Ringelnatz, wie er sich von nun an nennt, bekommt als Archivangestellter im Scherlverlag jedoch keine Arbeitserlaubnis; aus Not wird er 1920 in München Prüfer der dortigen Postüberwachungsstelle. Nach Auftritten im „Simpl“ bzw. an der Berliner Kleinkunstbühne „Schall und Rauch“ beginnen seine produktivsten Jahre als reisender Vortragskünstler. Neben diversen Filmprojekten erscheinen u.a. die Gedichtsammlungen Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid, Turngedichte und Die gebatikte Schusterpastete, außerdem die „einaktigen Grotesken“ Mannimmond sowie Bühnenstar und Mondhumor.

Ringelnatz etabliert sich in Berliner Kabarett- und Theaterkreisen und widmet sich intensiver der Malerei. Weitere Gedicht- und Novellensammlungen (Die Woge), geschmückte Prachtdrucke sowie sechzehn Schallplattenaufnahmen von ihm werden veröffentlicht. Auch folgen eigene Auktionen bzw. Ausstellungen im In- und Ausland.

1924 kommen sein Roman …liner Roma… mit zehn beigefügten Reproduktionen von Aquarellen und Federzeichnungen, der Novellenband Nervosipopel. 11 Angelegenheiten und das Geheime Kinder-Spiel-Buch heraus. Im Januar 1925 hält sich Ringelnatz in Paris auf, wo er mit dem Maler Jules Pascin zusammentrifft, aber auch eigene Bilder auf der Ausstellung der Preußischen Akademie der Künste, Berlin, verkauft.

1928 erscheinen die Gedichtsammlung Allerdings, die Textsammlung Matrosen. Erinnerungen, ein Skizzenbuch: handelt von Wasser und blauem Tuch sowie der autobiografische Roman Als Mariner im Krieg (unter dem Pseudonym Gustav Hester). Ein Opernprojekt Ringelnatz' scheitert, weil Ernst Weill seine Bitte, den Text zu vertonen, nicht erfüllt. Ringelnatz' Situation verschlechtert sich, er unternimmt strapaziöse Reisen, hat wenig Einnahmen. Im Oktober 1929 tritt er der Berliner Künstlervereinigung Novembergruppe bei und mietet sich in Berlin eine Wohnung.

Im März und Juni 1931 ist er in Rundfunksendungen zu hören. Zum letzten Mal gastiert er ein Jahr später im Münchener „Simpl“ mit dem Stück Die Flasche. 1933 erteilen die Nationalsozialisten Ringelnatz Auftrittsverbot in Dresden, Hamburg und München; die meisten seiner Bücher fallen den Bücherverbrennungen zum Opfer.

Ringelnatz verarmt nun rasch, nach Schwierigkeiten, einen Pass zu erhalten, kann er noch Gastspiele in der Schweiz absolvieren. Erste Symptome einer Tuberkulose zeigen sich. Freunde helfen dem fast völlig mittellosen Dichter durch öffentliche Aufrufe, private Spendenaktionen und Wohltätigkeitskonzerte. Am 17. November 1934 stirbt Ringelnatz in seiner Wohnung und wird auf dem Berliner Waldfriedhof beerdigt.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Schmidt-Möbus, Friederike (2000): Joachim Ringelnatz – Leben und Werk. In: Text + Kritik. H. 148, S. 106-113.

Schweiggert, Alfons (2004): Joachim Ringelnatz (7.8.1883 – 17.11.1934). Der größte lyrische Humorist seiner Zeit. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 113f.


Externe Links:

Literatur von Joachim Ringelnatz im BVB

Literatur über Joachim Ringelnatz im BVB

Werke im Projekt Gutenberg-DE

Werke bei zeno.org

Joachim Ringelnatz Stiftung und Museum

Ringelnatz-Gesellschaft e.V.

Joachim Ringelnatz Verein e.V. Wurzen

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