Luise Rinser
Luise Rinser (1911-2002) ist Zeit ihres Lebens eine streitbare und umstrittene Katholikin. Die Schriftstellerin mit dem Etikett einer „Linskatholikin“ veröffentlicht neben religiös motivierten Werken sowie Rezensionen, Feuilletons, Kolumnen und Essays auch Romane, Tagebücher, Autobiografien, Fotobände und theoretische Arbeiten.
Werdegang
Luise Rinser wird im streng katholischen Elternhaus erzogen und wächst in Etting bei Weilheim und Übersee am Chiemsee auf. Regelmäßige Ferienaufenthalte in Wessobrunn, wo ein Onkel Geistlicher ist, prägen ihre Kindheit. Sie besucht ein Lehrerinnenseminar in München und macht wie ihr Vater eine Ausbildung zur Volksschullehrerin. Nach dem Staatsexamen 1934 arbeitet sie vier Jahre lang an verschiedenen oberbayerischen Schulen als Volksschullehrerin.
Bereits 1939 scheidet Rinser aus dem Schuldienst wieder aus, weil sie den obligatorischen Eintritt in die NSDAP verweigert. Ein Teil ihres Lebens während der Zeit des Nationalsozialismus wird von ihr allerdings rückblickend geschönt: So verfasst sie u.a. ein Huldigungsgedicht an Hitler, leitet ein BDM-Schulungslager und entwirft Propagandafilme für die UFA.
Während des Krieges wohnt sie zusammen mit ihrem Mann, dem Kapellmeister Horst Günther Schnell, in Braunschweig und Rostock, nach dessen Tod 1943 in Kirchanschöring an der Salzach. 1942 wird sie mit einem Publikationsverbot belegt, dennoch erscheinen einzelne Artikel von ihr in Zeitungen. Im Oktober 1944 wird sie schließlich denunziert und wegen „Wehrkraftzersetzung und staatsfeindlicher Gesinnung“ verhaftet und ins Gefängnis nach Traunstein gebracht.
1945 bis 1955 ist Rinser als Literaturkritikerin für die Neue Zeitung in München und danach als freie Schriftstellerin tätig. Sie engagiert sich gesellschaftspolitisch in der sogenannten „Re-education“, im Süddeutschen Frauenring, der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, in der Lessing-Gesellschaft zur Förderung der Toleranz sowie in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, deren Ehrenpräsidentin sie wird.
1949 nimmt sie an einer Tagung der Gruppe 47 teil, ihre vorgelesene Novelle stößt jedoch auf Kritik. Sie bleibt der Gruppe fortan fern.
Von 1954 bis 1959 ist Luise Rinser in dritter Ehe mit dem Komponisten Carl Orff verheiratet (eine zweite Ehe mit dem homosexuellen Berliner Schriftsteller Klaus Herrmann ist sie 1944 zum Schein eingegangen, um diesen vor der Einberufung zu bewahren). Seit 1954 lebt sie in Dießen am Ammersee, nach der Trennung von Orff in Rom, wo sie als Journalistin für das Zweite Vatikanische Konzil akkreditiert ist, und Rocca di Papa in den Albaner Bergen. In den Folgejahrzehnten unternimmt sie etliche Reisen, u.a. nach Osteuropa, Amerika, in den Mittleren sowie Fernen Osten.
Kirchenkritische Äußerungen, Wahlhilfe für die SPD bei den rheinland-pfälzischen Landtagswahlen (1971) und ihr Eintreten für pazifistische Bewegungen bringen Rinser schnell das Etikett einer „Linskatholikin“ ein. Sie engagiert sich auch gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (WAA). Nach der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer durch die RAF 1977 wird sie als angebliche Sympathisantin des Terrorismus diffamiert, offiziell jedoch rehabilitiert und mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten stellen die GRÜNEN sie bei der Wahl am 23.5.1984 in Bonn auf.
Die letzten Lebensjahrzehnte verbringt Luise Rinser vor allem in München. Sie stirbt im Alter von 90 Jahren in einem Stift in Unterhaching an Herzversagen.
Wichtige Werke (Auswahl)
Luise Rinsers erstes Buch Die gläsernen Ringe (1941) ist ein in Ich-Form gehaltener Bericht eines jungen Mädchens über Naturerlebnisse und religiöse Erfahrung in Wessobrunn. Ihre Erlebnisse im Traunsteiner Gefängnis verarbeitet sie in dem 1946 erscheinenden Gefängnistagebuch. Sie profiliert sich zunächst mit einigen Kurzgeschichten, darunter der noch heute vielgelesenen Erzählung Jan Lobel aus Warschau (1948); 1949 erscheint das Kinderbuch Martins Reise und 1950 ihr Roman Mitte des Lebens, worin sie aus der Sicht einer alleinstehenden, selbständigen Frau das Bild einer scheinheiligen und selbstgefälligen Gesellschaft zeichnet und der selbst zum Weltbestseller wird.
Neben Rezensionen, Feuilletons und Essays veröffentlicht Luise Rinser mit Der Sündenbock (1955) einen Art Kriminalroman, den Erzählband Ein Bündel weißer Narzissen (1956) und 1953 einen Bericht über die Bauernmagd Therese Neumann (Resl von Konnersreuth), deren angebliche Stigmata Wahlfahrten auslösten. Ein Aufenthaltsstipendium in der Villa Massimo in Rom inspiriert die Erzählung Geh fort wenn du kannst (1959). 1962 erscheint das Fotobuch Ich weiß deinen Namen. Weitere Fotobände (mit Fotos von Oswald Kettenberger) sind: Jugend unserer Zeit (1967) und Nach seinem Bild (1969). Ihre dreijährige Kolumne für die Frauenzeitschrift Für Sie, erscheint in drei Bänden: Gespräche über Lebensfragen (1966), Gespräch von Mensch zu Mensch (1967) und Fragen, Antworten (1968).
Ihre Arbeiten Über die Hoffnung (1964) und Hat Beten einen Sinn? (1966) beschäftigen sich mit religiösen Fragen. Inspiriert durch das Zweite Vatikanische Konzil folgen weitere kirchliche Fragen, u.a. in Laie nicht ferngesteuert (1967) oder ihrem Roman Ich bin Tobias (1966).
1981 erscheint der erste und 1994 der zweite Teil ihrer Autobiografie (Den Wolf umarmen und Saturn auf der Sonne). 1983 veröffentlicht sie den viel beachteten Roman Mirjam. Von 1970 bis 1997 schreibt Luise Rinser verschiedene Tagebuchbände. Ab 1997 arbeitete sie mit dem Autor, Übersetzer und Journalist Hans Christian Meiser zusammen. Es entstehen zwei Werke: Der Briefwechsel Reinheit und Ekstase. Auf der Suche nach der vollkommenen Liebe (1998) und der Roman Aeterna (2000). Bruder Hund. Eine Legende (1999) ist Luise Rinsers letztes eigenes Werk.
Sekundärliteratur:
Falkenstein, Henning: Rinser, Luise. In: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 639f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd118601172.html, (19.10.2011).
Schweiggert, Alfons (2004): Luise Rinser (30.4.1911 – 17.3.2002). Umstrittene zeitgenössische Gesellschaftskritikerin. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 210f.
Zeitzeugen (2011): Ich bin eine geborene Rebellin (Luise Rinser). In: BR-Alpha vom 21.8.2011 (14.30-15.15 Uhr).
Externe Links:
Luise Rinser (1911-2002) ist Zeit ihres Lebens eine streitbare und umstrittene Katholikin. Die Schriftstellerin mit dem Etikett einer „Linskatholikin“ veröffentlicht neben religiös motivierten Werken sowie Rezensionen, Feuilletons, Kolumnen und Essays auch Romane, Tagebücher, Autobiografien, Fotobände und theoretische Arbeiten.
Werdegang
Luise Rinser wird im streng katholischen Elternhaus erzogen und wächst in Etting bei Weilheim und Übersee am Chiemsee auf. Regelmäßige Ferienaufenthalte in Wessobrunn, wo ein Onkel Geistlicher ist, prägen ihre Kindheit. Sie besucht ein Lehrerinnenseminar in München und macht wie ihr Vater eine Ausbildung zur Volksschullehrerin. Nach dem Staatsexamen 1934 arbeitet sie vier Jahre lang an verschiedenen oberbayerischen Schulen als Volksschullehrerin.
Bereits 1939 scheidet Rinser aus dem Schuldienst wieder aus, weil sie den obligatorischen Eintritt in die NSDAP verweigert. Ein Teil ihres Lebens während der Zeit des Nationalsozialismus wird von ihr allerdings rückblickend geschönt: So verfasst sie u.a. ein Huldigungsgedicht an Hitler, leitet ein BDM-Schulungslager und entwirft Propagandafilme für die UFA.
Während des Krieges wohnt sie zusammen mit ihrem Mann, dem Kapellmeister Horst Günther Schnell, in Braunschweig und Rostock, nach dessen Tod 1943 in Kirchanschöring an der Salzach. 1942 wird sie mit einem Publikationsverbot belegt, dennoch erscheinen einzelne Artikel von ihr in Zeitungen. Im Oktober 1944 wird sie schließlich denunziert und wegen „Wehrkraftzersetzung und staatsfeindlicher Gesinnung“ verhaftet und ins Gefängnis nach Traunstein gebracht.
1945 bis 1955 ist Rinser als Literaturkritikerin für die Neue Zeitung in München und danach als freie Schriftstellerin tätig. Sie engagiert sich gesellschaftspolitisch in der sogenannten „Re-education“, im Süddeutschen Frauenring, der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, in der Lessing-Gesellschaft zur Förderung der Toleranz sowie in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, deren Ehrenpräsidentin sie wird.
1949 nimmt sie an einer Tagung der Gruppe 47 teil, ihre vorgelesene Novelle stößt jedoch auf Kritik. Sie bleibt der Gruppe fortan fern.
Von 1954 bis 1959 ist Luise Rinser in dritter Ehe mit dem Komponisten Carl Orff verheiratet (eine zweite Ehe mit dem homosexuellen Berliner Schriftsteller Klaus Herrmann ist sie 1944 zum Schein eingegangen, um diesen vor der Einberufung zu bewahren). Seit 1954 lebt sie in Dießen am Ammersee, nach der Trennung von Orff in Rom, wo sie als Journalistin für das Zweite Vatikanische Konzil akkreditiert ist, und Rocca di Papa in den Albaner Bergen. In den Folgejahrzehnten unternimmt sie etliche Reisen, u.a. nach Osteuropa, Amerika, in den Mittleren sowie Fernen Osten.
Kirchenkritische Äußerungen, Wahlhilfe für die SPD bei den rheinland-pfälzischen Landtagswahlen (1971) und ihr Eintreten für pazifistische Bewegungen bringen Rinser schnell das Etikett einer „Linskatholikin“ ein. Sie engagiert sich auch gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (WAA). Nach der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer durch die RAF 1977 wird sie als angebliche Sympathisantin des Terrorismus diffamiert, offiziell jedoch rehabilitiert und mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten stellen die GRÜNEN sie bei der Wahl am 23.5.1984 in Bonn auf.
Die letzten Lebensjahrzehnte verbringt Luise Rinser vor allem in München. Sie stirbt im Alter von 90 Jahren in einem Stift in Unterhaching an Herzversagen.
Wichtige Werke (Auswahl)
Luise Rinsers erstes Buch Die gläsernen Ringe (1941) ist ein in Ich-Form gehaltener Bericht eines jungen Mädchens über Naturerlebnisse und religiöse Erfahrung in Wessobrunn. Ihre Erlebnisse im Traunsteiner Gefängnis verarbeitet sie in dem 1946 erscheinenden Gefängnistagebuch. Sie profiliert sich zunächst mit einigen Kurzgeschichten, darunter der noch heute vielgelesenen Erzählung Jan Lobel aus Warschau (1948); 1949 erscheint das Kinderbuch Martins Reise und 1950 ihr Roman Mitte des Lebens, worin sie aus der Sicht einer alleinstehenden, selbständigen Frau das Bild einer scheinheiligen und selbstgefälligen Gesellschaft zeichnet und der selbst zum Weltbestseller wird.
Neben Rezensionen, Feuilletons und Essays veröffentlicht Luise Rinser mit Der Sündenbock (1955) einen Art Kriminalroman, den Erzählband Ein Bündel weißer Narzissen (1956) und 1953 einen Bericht über die Bauernmagd Therese Neumann (Resl von Konnersreuth), deren angebliche Stigmata Wahlfahrten auslösten. Ein Aufenthaltsstipendium in der Villa Massimo in Rom inspiriert die Erzählung Geh fort wenn du kannst (1959). 1962 erscheint das Fotobuch Ich weiß deinen Namen. Weitere Fotobände (mit Fotos von Oswald Kettenberger) sind: Jugend unserer Zeit (1967) und Nach seinem Bild (1969). Ihre dreijährige Kolumne für die Frauenzeitschrift Für Sie, erscheint in drei Bänden: Gespräche über Lebensfragen (1966), Gespräch von Mensch zu Mensch (1967) und Fragen, Antworten (1968).
Ihre Arbeiten Über die Hoffnung (1964) und Hat Beten einen Sinn? (1966) beschäftigen sich mit religiösen Fragen. Inspiriert durch das Zweite Vatikanische Konzil folgen weitere kirchliche Fragen, u.a. in Laie nicht ferngesteuert (1967) oder ihrem Roman Ich bin Tobias (1966).
1981 erscheint der erste und 1994 der zweite Teil ihrer Autobiografie (Den Wolf umarmen und Saturn auf der Sonne). 1983 veröffentlicht sie den viel beachteten Roman Mirjam. Von 1970 bis 1997 schreibt Luise Rinser verschiedene Tagebuchbände. Ab 1997 arbeitete sie mit dem Autor, Übersetzer und Journalist Hans Christian Meiser zusammen. Es entstehen zwei Werke: Der Briefwechsel Reinheit und Ekstase. Auf der Suche nach der vollkommenen Liebe (1998) und der Roman Aeterna (2000). Bruder Hund. Eine Legende (1999) ist Luise Rinsers letztes eigenes Werk.
Falkenstein, Henning: Rinser, Luise. In: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 639f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd118601172.html, (19.10.2011).
Schweiggert, Alfons (2004): Luise Rinser (30.4.1911 – 17.3.2002). Umstrittene zeitgenössische Gesellschaftskritikerin. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 210f.
Zeitzeugen (2011): Ich bin eine geborene Rebellin (Luise Rinser). In: BR-Alpha vom 21.8.2011 (14.30-15.15 Uhr).