Johann Pezzl
Der Sohn eines Klosterbäckers Johann Pezzl besucht 1768 bis 1775 das bischöfliche Lyzeum in Freising, tritt anschließend in den Benediktinerorden ein, den er nach einem Jahr Noviziat (Kloster Scheyern) verlässt, und studiert bis 1780 Jura in Salzburg. Seine Klostererfahrungen verarbeitet er in dem antimonastischen Roman Briefe aus dem Noviziat an einen Freund (1780-82), der in Kurbayern sogleich verboten wird.
Nach angeblicher gerichtlicher Untersuchung gegen ihn verlässt Pezzl Salzburg und geht nach Zürich, wo er sich als Zeitungsredakteur sowie Übersetzer französischer Reiseliteratur betätigt. Von den politischen Neuerungen Josephs II. angezogen, macht er sich im Frühjahr 1784 nach Wien auf und findet Zugang zu freimaurerisch-literarischen Kreisen. Bei Staatskanzler Fürst Kaunitz erhält er bald eine gesicherte Anstellung als Sekretär, Vorleser und Bibliothekar. 1791 wird Pezzl Offizial des Geheimen Ziffernkabinetts (Briefspionage); zugleich zieht er sich mehr und mehr aus dem öffentlichen und literarischen Leben zurück. Seine wachsende Enttäuschung über die Entwicklung der Aufklärung lässt sich nicht zuletzt an seiner Charakteristik Josephs II. (1790) ablesen und gipfelt in dem ironisch-skeptizistischen Roman Ulrich von Unkenbach und seine Steckenpferde (1800-02).
Zuvor ist Pezzl als bedeutender Aufklärer, Romanautor und Briefsatiriker hervorgetreten: In seinem wichtigsten Roman Faustin oder das philosophische Jahrhundert (1783), der an Voltaires Candide orientiert ist, wird im Zuge der Integration historischer Ereignisse eine historiografische Erzählweise fingiert, wodurch eine eindrucksvolle „Skizze der letzten konvulsivischen Bewegungen des sterbenden Aberglaubens, Fanatism, Pfaffentrugs, Despotendrucks und Verfolgungsgeistes“ vor den Augen des Lesers entsteht. 1784 erscheinen dann Pezzls Reisebericht in Briefform Reise durch den Baierschen Kreis sowie seine Marokkanischen Briefe in der Tradition von Montesquieus Lettres persanes. Hier wie andernorts übt Pezzl Kritik an Erscheinungsformen des Katholizismus, aber auch an der Theologie Martin Luthers und plädiert für eine „säkularisierte“ Religion.
Seinen größten Erfolg zu Lebzeiten verzeichnet er allerdings mit der von Merciers Tableau de Paris inspirierten Skizze von Wien (1786-90). Diese Schrift befördert nicht nur seinen beruflichen Aufstieg, sondern ist mitunter auch verantwortlich, dass Pezzl lange Zeit nur als Wiener Topograf und Sittenschilderer in der Rezeption bekannt gewesen ist. Erst mit der Erforschung der Prosa des Josephinismus ist er als sozialkritischer Autor, der viel zum entstehenden Nationalbewusstsein und zur Eigenständigkeit der österreichischen Literatur beigetragen hat, neu entdeckt worden.
Sekundärliteratur:
http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_P/Pezzl_Johann_1756_1823.xml, (12.06.2012).
Siegrist, Christoph: Pezzl, Johann Andras. In: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 288f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd118883313.html, (15.03.2012).
Externe Links:
Literatur von Johann Pezzl im BVB
Literatur über Johann Pezzl im BVB
Der Sohn eines Klosterbäckers Johann Pezzl besucht 1768 bis 1775 das bischöfliche Lyzeum in Freising, tritt anschließend in den Benediktinerorden ein, den er nach einem Jahr Noviziat (Kloster Scheyern) verlässt, und studiert bis 1780 Jura in Salzburg. Seine Klostererfahrungen verarbeitet er in dem antimonastischen Roman Briefe aus dem Noviziat an einen Freund (1780-82), der in Kurbayern sogleich verboten wird.
Nach angeblicher gerichtlicher Untersuchung gegen ihn verlässt Pezzl Salzburg und geht nach Zürich, wo er sich als Zeitungsredakteur sowie Übersetzer französischer Reiseliteratur betätigt. Von den politischen Neuerungen Josephs II. angezogen, macht er sich im Frühjahr 1784 nach Wien auf und findet Zugang zu freimaurerisch-literarischen Kreisen. Bei Staatskanzler Fürst Kaunitz erhält er bald eine gesicherte Anstellung als Sekretär, Vorleser und Bibliothekar. 1791 wird Pezzl Offizial des Geheimen Ziffernkabinetts (Briefspionage); zugleich zieht er sich mehr und mehr aus dem öffentlichen und literarischen Leben zurück. Seine wachsende Enttäuschung über die Entwicklung der Aufklärung lässt sich nicht zuletzt an seiner Charakteristik Josephs II. (1790) ablesen und gipfelt in dem ironisch-skeptizistischen Roman Ulrich von Unkenbach und seine Steckenpferde (1800-02).
Zuvor ist Pezzl als bedeutender Aufklärer, Romanautor und Briefsatiriker hervorgetreten: In seinem wichtigsten Roman Faustin oder das philosophische Jahrhundert (1783), der an Voltaires Candide orientiert ist, wird im Zuge der Integration historischer Ereignisse eine historiografische Erzählweise fingiert, wodurch eine eindrucksvolle „Skizze der letzten konvulsivischen Bewegungen des sterbenden Aberglaubens, Fanatism, Pfaffentrugs, Despotendrucks und Verfolgungsgeistes“ vor den Augen des Lesers entsteht. 1784 erscheinen dann Pezzls Reisebericht in Briefform Reise durch den Baierschen Kreis sowie seine Marokkanischen Briefe in der Tradition von Montesquieus Lettres persanes. Hier wie andernorts übt Pezzl Kritik an Erscheinungsformen des Katholizismus, aber auch an der Theologie Martin Luthers und plädiert für eine „säkularisierte“ Religion.
Seinen größten Erfolg zu Lebzeiten verzeichnet er allerdings mit der von Merciers Tableau de Paris inspirierten Skizze von Wien (1786-90). Diese Schrift befördert nicht nur seinen beruflichen Aufstieg, sondern ist mitunter auch verantwortlich, dass Pezzl lange Zeit nur als Wiener Topograf und Sittenschilderer in der Rezeption bekannt gewesen ist. Erst mit der Erforschung der Prosa des Josephinismus ist er als sozialkritischer Autor, der viel zum entstehenden Nationalbewusstsein und zur Eigenständigkeit der österreichischen Literatur beigetragen hat, neu entdeckt worden.
http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_P/Pezzl_Johann_1756_1823.xml, (12.06.2012).
Siegrist, Christoph: Pezzl, Johann Andras. In: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 288f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd118883313.html, (15.03.2012).