Emerenz Meier
Als sechste Tochter des Land- und Gastwirts Josef Meier und seiner Frau Emerenz, geb. Raab, wird Emerenz Meier im Unteren Bayerischen Wald geboren. Sie besucht fünf Jahre lang die Volksschule der Englischen Fräulein in Waldkirchen. In einer sonst illiteraten Umgebung findet die sehr gute Schülerin in den Werken Homers, Dantes, Goethes, Schillers sowie anderer deutscher Klassiker Zuflucht vor der strengen Hof- und Hausarbeit; Unterstützung findet sie bei ihrer älteren Schwester Petronilla, aus deren Lektüre-Büchern Emerenz kleinere Gedichte verfasst. 1891 verlässt die Familie Schiefweg und zieht in den Nachbarort Oberndorf, wo Emerenz Meier ein eigenes Zimmer zum Studieren und Dichten erhält. Mit 19 Jahren erscheint ihre erste Erzählung Der Juhschroa in der Passauer Donau-Zeitung. Die anfängliche Abneigung der Eltern gegen die Schriftstellerei kehrt sich zusehends um, da sie das erste Honorar fürs „Verslschreibn“ auf den Tisch blättert und immer mehr zur anerkannten Dichterin avanciert: Dank ihrer einflussreichen Freundin Auguste Unertl, die in Waldkirchen eine Art literarischen Salon führt, werden ihre Gedichte über Bayerns Grenzen hinaus bekannt, Emerenz Meier selbst wird zur touristischen Attraktion für den Wald. Naturalistische Kritiker, wie Michael Georg Conrad und Peter Rosegger, loben ihr erstes und einziges Buch Aus dem bayrischen Wald (1897) in den höchsten Tönen, obgleich sich dieses nur schlecht verkauft.
1898 lernt sie den jungen Medizinstudenten und späteren Autor Hans Carossa kennen; ihre „Doppelnatur“ beschreibt er im Rückblick als sanft rebellenhaft und hingerissen von allem Aufrührerischen. Nach Carossas Besuch fährt Emerenz Meier auf Empfehlung von Auguste Unertl an den königlichen Hof zu München. Die Hoffnungen auf ein Literaturstipendium erfüllen sich aber nicht – auch ihr Bildungsaufenthalt 1900 bei einer Würzburger Seminarlehrersfamilie scheitert an den hohen Erwartungen der Familie sowie an Emerenz Meiers diversen aussichtslosen Heiratsanträgen.
Wieder in Niederbayern zurück, werden die Bühnenfassungen ihrer Erzählungen Aus dem Elend (1900) und Der G’schlößlbauer (1902) am Passauer Stadttheater aufgeführt. Emerenz Meier arbeitet bei dem Straßkirchener Brauerei- und Gutsbesitzer Karl Hellmannsberger, zu dem sie eine Freundschafts- und Liebesbeziehung aufbaut. Mit seiner Hilfe übernimmt sie im Juli 1902 das frühere Schifferwirtshaus Zum Koppenjäger in Passau, das sie in eine Künstlerkneipe im Stil von Kathi Kobus’ Alten Simpl umwandeln will – jedoch vergeblich: Emerenz Meier verlässt im Oktober 1903 fluchtartig Passau und geht erneut nach München, wo sie mit kleineren Artikeln für die Münchner Neuesten Nachrichten, Erzählungen wie Der Bua oder Texten für die katholische Wochenzeitschrift Deutscher Hausschatz ihren Lebensunterhalt verdient. Rastlos wie sie ist, übernimmt sie bald den Hof ihres Vaters in Simpoln bei Fürsteneck.
Wegen der anhaltend schlechten wirtschaftlichen Lage wandert die Familie Meier schließlich nach Amerika aus. Im Frühjahr 1906 folgen Emerenz und ihre Mutter dem Rest der Familie, unmittelbar nach ihrer Ankunft in Chicago heiratet sie den Auswanderer Franz Schmöller, der wie sie aus dem Bayerischen Wald stammt und dem sie später einen Sohn gebiert. Die Ehe verläuft unglücklich, 1910 stirbt Franz Schmöller an Schwindsucht. In zweiter Ehe heiratet Emerenz Meier den schwedischen im Versand tätigen Fabrikexpedienten John Lindgren.
Der Neuanfang wird schnell zur Qual: aus der Schriftstellerin und freigesinnten Waldlerin wird eine Lohnarbeiterin, die „jungen, gummikauenden Frauen den Fußboden“ schrubbt und in Fabriken sexuelle Diskriminierungen über sich ergehen lassen muss. Während des Ersten Weltkrieges wächst Emerenz Meiers Kritik an Amerika, aber auch an den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Europa. Meier wandelt sich zu einer überzeugten Kommunistin, die die Weltrevolution herbeisehnt, und wendet sich von der Kirche, wenngleich nicht vom Glauben, ab. 1919 nimmt sie den brieflichen Kontakt mit ihrer Waldkirchener Freundin Auguste (Gusti) Unertl wieder auf, der sie ihre politische wie mentale Verfasstheit in über 50 Briefen und Karten eindrucksvoll schildert.
Am 18. Januar 1925 stirbt Emerenz Meiers Mann Lindgren, sie selbst bleibt verzweifelt zurück. In den letzten Jahren ihres Lebens kämpft sie mit der Wassersucht und verschiedenen organischen Leiden, bis sie im Alter von nur 53 Jahren stirbt.
Sekundärliteratur:
Göttler, Hans (2004): Emerenz Meier (3.10.1874 – 28.2.1928). „... des freien Waldes freies Kind“. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 76-79.
Karl, Michaela (2008): Emerenz Meier: Die Bayerwald-Dichterin. 1874 Schiefweg/Ndb. – 1928 Chicago/USA. In: Jakob, Reinhard (Hg.): Frauen schreiben: G'schichten vom Land. Schriftstellerinnen und das ländliche Milieu [Ausstellung im Bauernhofmuseum Jexhof, 12. Juni bis 31. Oktober 2008] (Jexhof-Heft, 24). Bauernhofmuseum Jexhof, Fürstenfeldbruck, S. 66-83.
Pedarnig, Dietlind; Ziegler, Edda (Hg.) (2013): Bayerische Schriftstellerinnen. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 93-101.
Praxl, Paul (Hg.) (2012): „Ich bin fürchterlich radikal gesinnt“. Die unbekannte Emerenz Meier (Veröffentlichungen des Instituts für Kulturraumforschung Ostbaierns und der Nachbarregionen der Universität Passau, 65). Dietmar Klinger Verlag, Passau.
Externe Links:
Literatur von Emerenz Meier im BVB
Literatur über Emerenz Meier im BVB
bavarikon – Nachlass von Emerenz Meier (1874-1928) in der Staatlichen Bibliothek Passau
Als sechste Tochter des Land- und Gastwirts Josef Meier und seiner Frau Emerenz, geb. Raab, wird Emerenz Meier im Unteren Bayerischen Wald geboren. Sie besucht fünf Jahre lang die Volksschule der Englischen Fräulein in Waldkirchen. In einer sonst illiteraten Umgebung findet die sehr gute Schülerin in den Werken Homers, Dantes, Goethes, Schillers sowie anderer deutscher Klassiker Zuflucht vor der strengen Hof- und Hausarbeit; Unterstützung findet sie bei ihrer älteren Schwester Petronilla, aus deren Lektüre-Büchern Emerenz kleinere Gedichte verfasst. 1891 verlässt die Familie Schiefweg und zieht in den Nachbarort Oberndorf, wo Emerenz Meier ein eigenes Zimmer zum Studieren und Dichten erhält. Mit 19 Jahren erscheint ihre erste Erzählung Der Juhschroa in der Passauer Donau-Zeitung. Die anfängliche Abneigung der Eltern gegen die Schriftstellerei kehrt sich zusehends um, da sie das erste Honorar fürs „Verslschreibn“ auf den Tisch blättert und immer mehr zur anerkannten Dichterin avanciert: Dank ihrer einflussreichen Freundin Auguste Unertl, die in Waldkirchen eine Art literarischen Salon führt, werden ihre Gedichte über Bayerns Grenzen hinaus bekannt, Emerenz Meier selbst wird zur touristischen Attraktion für den Wald. Naturalistische Kritiker, wie Michael Georg Conrad und Peter Rosegger, loben ihr erstes und einziges Buch Aus dem bayrischen Wald (1897) in den höchsten Tönen, obgleich sich dieses nur schlecht verkauft.
1898 lernt sie den jungen Medizinstudenten und späteren Autor Hans Carossa kennen; ihre „Doppelnatur“ beschreibt er im Rückblick als sanft rebellenhaft und hingerissen von allem Aufrührerischen. Nach Carossas Besuch fährt Emerenz Meier auf Empfehlung von Auguste Unertl an den königlichen Hof zu München. Die Hoffnungen auf ein Literaturstipendium erfüllen sich aber nicht – auch ihr Bildungsaufenthalt 1900 bei einer Würzburger Seminarlehrersfamilie scheitert an den hohen Erwartungen der Familie sowie an Emerenz Meiers diversen aussichtslosen Heiratsanträgen.
Wieder in Niederbayern zurück, werden die Bühnenfassungen ihrer Erzählungen Aus dem Elend (1900) und Der G’schlößlbauer (1902) am Passauer Stadttheater aufgeführt. Emerenz Meier arbeitet bei dem Straßkirchener Brauerei- und Gutsbesitzer Karl Hellmannsberger, zu dem sie eine Freundschafts- und Liebesbeziehung aufbaut. Mit seiner Hilfe übernimmt sie im Juli 1902 das frühere Schifferwirtshaus Zum Koppenjäger in Passau, das sie in eine Künstlerkneipe im Stil von Kathi Kobus’ Alten Simpl umwandeln will – jedoch vergeblich: Emerenz Meier verlässt im Oktober 1903 fluchtartig Passau und geht erneut nach München, wo sie mit kleineren Artikeln für die Münchner Neuesten Nachrichten, Erzählungen wie Der Bua oder Texten für die katholische Wochenzeitschrift Deutscher Hausschatz ihren Lebensunterhalt verdient. Rastlos wie sie ist, übernimmt sie bald den Hof ihres Vaters in Simpoln bei Fürsteneck.
Wegen der anhaltend schlechten wirtschaftlichen Lage wandert die Familie Meier schließlich nach Amerika aus. Im Frühjahr 1906 folgen Emerenz und ihre Mutter dem Rest der Familie, unmittelbar nach ihrer Ankunft in Chicago heiratet sie den Auswanderer Franz Schmöller, der wie sie aus dem Bayerischen Wald stammt und dem sie später einen Sohn gebiert. Die Ehe verläuft unglücklich, 1910 stirbt Franz Schmöller an Schwindsucht. In zweiter Ehe heiratet Emerenz Meier den schwedischen im Versand tätigen Fabrikexpedienten John Lindgren.
Der Neuanfang wird schnell zur Qual: aus der Schriftstellerin und freigesinnten Waldlerin wird eine Lohnarbeiterin, die „jungen, gummikauenden Frauen den Fußboden“ schrubbt und in Fabriken sexuelle Diskriminierungen über sich ergehen lassen muss. Während des Ersten Weltkrieges wächst Emerenz Meiers Kritik an Amerika, aber auch an den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Europa. Meier wandelt sich zu einer überzeugten Kommunistin, die die Weltrevolution herbeisehnt, und wendet sich von der Kirche, wenngleich nicht vom Glauben, ab. 1919 nimmt sie den brieflichen Kontakt mit ihrer Waldkirchener Freundin Auguste (Gusti) Unertl wieder auf, der sie ihre politische wie mentale Verfasstheit in über 50 Briefen und Karten eindrucksvoll schildert.
Am 18. Januar 1925 stirbt Emerenz Meiers Mann Lindgren, sie selbst bleibt verzweifelt zurück. In den letzten Jahren ihres Lebens kämpft sie mit der Wassersucht und verschiedenen organischen Leiden, bis sie im Alter von nur 53 Jahren stirbt.
Göttler, Hans (2004): Emerenz Meier (3.10.1874 – 28.2.1928). „... des freien Waldes freies Kind“. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 76-79.
Karl, Michaela (2008): Emerenz Meier: Die Bayerwald-Dichterin. 1874 Schiefweg/Ndb. – 1928 Chicago/USA. In: Jakob, Reinhard (Hg.): Frauen schreiben: G'schichten vom Land. Schriftstellerinnen und das ländliche Milieu [Ausstellung im Bauernhofmuseum Jexhof, 12. Juni bis 31. Oktober 2008] (Jexhof-Heft, 24). Bauernhofmuseum Jexhof, Fürstenfeldbruck, S. 66-83.
Pedarnig, Dietlind; Ziegler, Edda (Hg.) (2013): Bayerische Schriftstellerinnen. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 93-101.
Praxl, Paul (Hg.) (2012): „Ich bin fürchterlich radikal gesinnt“. Die unbekannte Emerenz Meier (Veröffentlichungen des Instituts für Kulturraumforschung Ostbaierns und der Nachbarregionen der Universität Passau, 65). Dietmar Klinger Verlag, Passau.