Joseph von Görres
Joseph Görres wird als Sohn des Holzhändlers Moritz Görres und dessen Frau, der Italienerin Helena Theresia, geb. Mazza, 1776 in Koblenz geboren. Von 1786 bis 1793 besucht er das dortige Jesuitengymnasium, er interessiert sich für Naturwissenschaften, Medizin und Geschichte. Schon früh drückt sich seine revolutionäre Ader aus: Mit 12 Jahren schreibt er ein Spottgedicht gegen den Papst und Kurtrier, gegen Gottsched und die Doktrin; er selbst nimmt die Ideen der Französischen Revolution mit Begeisterung auf. Entgegen seiner Landsleute sieht er keinen Gegensatz zwischen deutschem Patriotismus und dem Anschluss Rheinlands an Frankreich. Als Herausgeber des Roten Blattes (1798) und der Monatsschrift Der Rübezahl (1798/99) eröffnet Görres dem republikanisch gesinnten „Patriotischen Club“ von Koblenz publizistische Freiräume. Doch bald sieht er nach Napoleons Staatsstreich ein, dass er die Verwirklichung seiner Ideale späteren Generationen überlassen muss, was sich auch in seiner Schrift Resultate meiner Sendung nach Paris im Brumaire des achten Jahres (1800) niederschlägt.
Enttäuscht von der Politik zieht sich Görres zurück und wird von 1800 bis 1805 Professor für Physik an der Koblenzer Sekundärschule. 1806 geht er nach Heidelberg, wo er Philosophie, Ästhetik und Altdeutsche Literatur, aber auch Kosmologie, Psychologie und Hygiene lehrt und Achim von Arnim sowie seinen früheren Mitschüler Clemens Brentano trifft. Gemeinsam mit ihnen bildet er die Keimzelle der Heidelberger Romantik – in der von Arnim und Brentano herausgegebenen Zeitung für Einsiedler und den Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur bekämpft er den Rationalismus Voss', zugleich entsteht mit Brentanos Hilfe eine „Würdigung der schönen Historien-, Wetter- und Arzneybüchlein“ in der Abhandlung Die teutschen Volksbücher (1807).
1808 kehrt er wieder nach Koblenz zurück und unterrichtet am dortigen Gymnasium. Er verfasst mythengeschichtliche Studien (Mythengeschichte der asiatischen Welt) und zeitkritische Aufsätze („Fall Teutschlands“ und „Fall der Religion“, 1810). Nach dem Einmarsch der Koalition gegen Napoleon ins Rheinland 1814 gründet Joseph Görres den Rheinischen Merkur, „das erste deutsche Blatt europäischen Ansehens“ (K. Buchheim) und erstes Beispiel der Gesinnungspresse in Deutschland. Zu seinen prominenten Mitarbeitern zählen neben Arnim und Brentano Max von Schenkendorf, Ernst Moritz Arndt, die Brüder Grimm, Karl Immermann, Graf Gneisenau und Freiherr vom Stein. Görres übernimmt zudem das Amt des Direktors des öffentlichen Unterrichts am Mittelrhein.
Aufgrund seines Eintretens für die nationale Einheit und eine Verfassung wird das Publikationsorgan 1816 verboten, auch muss Görres von seinem Generaldirektor- und Schulposten zurücktreten. Nach der Ermordung Kotzebues veröffentlicht er in Börnes Zeitschrift Die Wage den Aufsatz „Kotzebue und was ihn gemordet“ und stellt im Manifest „Teutschland und die Revolution“ (1819) eine weitere Verurteilung der politischen Reaktion vor. Dem Haftbefehl der preußischen Regierung kann Görres noch rechtzeitig durch seine Flucht nach Straßburg (ab 1821 in Aarau) entgehen.
1824-1827 redigiert er für die Zeitschrift Der Katholik kirchliche Artikel. Aber auch mystische Themen interessieren ihn: Es entstehen Der Heilige Franciskus von Assisi, ein Troubadour (1826) sowie sein Abriss zur christlichen Mystik, die Einleitung zu Melchior von Diepenbrocks Heinrich Suso's, genannt Amandus, Leben und Schriften (1829).
1827 wird Görres von König Ludwig I. als Professor für „Allgemeine und Litterärgeschichte“ nach München berufen, eine Berufung, die von Ringseis angeregt, von Sailer maßgeblich gefördert worden ist. In München ist Joseph Görres der zentrale Netzwerker der katholischen Spätromantik, sein Haus in der Schönfeldstraße der zentrale Treffpunkt für Gleichgesinnte („Görres-Kreis“: Döllinger, Baader, Ringseis, Jarcke u.v.a.), wiewohl auch nach Wien Kontakte bestehen (K. M. Hofbauer, A. Günther und F. Schlegel).
1836-1842 erscheint sein vierbändiges Hauptwerk Christliche Mystik, das aus intensiven Vorarbeiten und Gesprächen mit Brentano entsteht. Gegenwartsbezogen und wissenschaftlich eingekleidet soll Mystik Allgemeingut werden, den Katholizismus aufwerten; als „ein in den Heiligen sich spiegelndes Evangelium“ ist das Buch gleichzeitig Standardwerk für visionäre Erfahrungen, für Magie und Dämonologie.
Der Athanasius (1838) ist Görres' zweites wichtiges Werk aus der Münchner Zeit. Aufgebracht durch die über die Mischehenfrage ausgebrochenen Wirrungen (im Zuge der Verhaftung des Kölner Erzbischofs) beklagt Görres in seiner Protestschrift den Verlust der mittelalterlichen Einheit zwischen Kirche und Staat, den Sektengeist der Moderne, was die Schrift zum bedeutsamen Teil des politischen Katholizismus als Massenbewegung macht. Gleichzeitig tritt er darin „ganz allgemein für Geistes- und Gewissensfreiheit ein, für Toleranz und ökumenische Gesinnung“ (Otto Roegele). Die Entstehung der von seinem Sohn Guido Görres und dem Rechtslehrer Georg Phillips herausgegebenen Halbmonatszeitschrift Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland (1838) geht ebenso auf sein Bemühen zurück.
1839 wird Joseph Görres geadelt. Kurz vor Ausbruch der 48er-Revolution stirbt er am 29. Januar 1848 in München.
G[örres].' Werk wird von verschiedensten Disziplinen wahrgenommen; sein Kampf gegen jede Art von Machtmissbrauch beeinflusste die polit[ische]. Kultur in Deutschland nachhaltig. Ton u[nd]. Sprache seines konfessionell geprägten „prophetischen Journalismus“ lebten weiter im Denken Eichendorffs u[nd]. bewährten sich über den Kulturkampf hinaus als Waffe des christl[ichen]. Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Seine philolog[ischen]. Studien sind von bleibendem Interesse. (Wolfgang Frühwald & Irmgard Scheitler)
Sekundärliteratur:
http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/G/Seiten/JosephGoerres.aspx, (13.07.2015).
Frühwald, Wolfgang; Scheitler, Irmgard (2009): Görres, Joseph von. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston. URL: http://www.degruyter.com/view/VDBO/vdbo.killy.1959, (13.07.2015).
Grassl, Hans: Brentano und Görres im spätromantischen München. In: Weber, Albrecht (Hg.): Handbuch der Literatur in Bayern. Vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Geschichte und Interpretationen. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 289-300.
Moisy, Sigrid von (Hg.) (1984): Von der Aufklärung zur Romantik. Geistige Strömungen in München [Ausstellung München 26.6.-24.8.1984] (Ausstellungskataloge / Bayerische Staatsbibliothek, 29). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 182-189 u.ö.
Roegele, Otto: Görres, Johann Joseph von. In: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 532-536, http://www.deutsche-biographie.de/ppn11854019X.html, (13.07.2015).
Externe Links:
Literatur von Joseph von Görres im BVB
Literatur über Joseph von Görres im BVB
Joseph Görres wird als Sohn des Holzhändlers Moritz Görres und dessen Frau, der Italienerin Helena Theresia, geb. Mazza, 1776 in Koblenz geboren. Von 1786 bis 1793 besucht er das dortige Jesuitengymnasium, er interessiert sich für Naturwissenschaften, Medizin und Geschichte. Schon früh drückt sich seine revolutionäre Ader aus: Mit 12 Jahren schreibt er ein Spottgedicht gegen den Papst und Kurtrier, gegen Gottsched und die Doktrin; er selbst nimmt die Ideen der Französischen Revolution mit Begeisterung auf. Entgegen seiner Landsleute sieht er keinen Gegensatz zwischen deutschem Patriotismus und dem Anschluss Rheinlands an Frankreich. Als Herausgeber des Roten Blattes (1798) und der Monatsschrift Der Rübezahl (1798/99) eröffnet Görres dem republikanisch gesinnten „Patriotischen Club“ von Koblenz publizistische Freiräume. Doch bald sieht er nach Napoleons Staatsstreich ein, dass er die Verwirklichung seiner Ideale späteren Generationen überlassen muss, was sich auch in seiner Schrift Resultate meiner Sendung nach Paris im Brumaire des achten Jahres (1800) niederschlägt.
Enttäuscht von der Politik zieht sich Görres zurück und wird von 1800 bis 1805 Professor für Physik an der Koblenzer Sekundärschule. 1806 geht er nach Heidelberg, wo er Philosophie, Ästhetik und Altdeutsche Literatur, aber auch Kosmologie, Psychologie und Hygiene lehrt und Achim von Arnim sowie seinen früheren Mitschüler Clemens Brentano trifft. Gemeinsam mit ihnen bildet er die Keimzelle der Heidelberger Romantik – in der von Arnim und Brentano herausgegebenen Zeitung für Einsiedler und den Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur bekämpft er den Rationalismus Voss', zugleich entsteht mit Brentanos Hilfe eine „Würdigung der schönen Historien-, Wetter- und Arzneybüchlein“ in der Abhandlung Die teutschen Volksbücher (1807).
1808 kehrt er wieder nach Koblenz zurück und unterrichtet am dortigen Gymnasium. Er verfasst mythengeschichtliche Studien (Mythengeschichte der asiatischen Welt) und zeitkritische Aufsätze („Fall Teutschlands“ und „Fall der Religion“, 1810). Nach dem Einmarsch der Koalition gegen Napoleon ins Rheinland 1814 gründet Joseph Görres den Rheinischen Merkur, „das erste deutsche Blatt europäischen Ansehens“ (K. Buchheim) und erstes Beispiel der Gesinnungspresse in Deutschland. Zu seinen prominenten Mitarbeitern zählen neben Arnim und Brentano Max von Schenkendorf, Ernst Moritz Arndt, die Brüder Grimm, Karl Immermann, Graf Gneisenau und Freiherr vom Stein. Görres übernimmt zudem das Amt des Direktors des öffentlichen Unterrichts am Mittelrhein.
Aufgrund seines Eintretens für die nationale Einheit und eine Verfassung wird das Publikationsorgan 1816 verboten, auch muss Görres von seinem Generaldirektor- und Schulposten zurücktreten. Nach der Ermordung Kotzebues veröffentlicht er in Börnes Zeitschrift Die Wage den Aufsatz „Kotzebue und was ihn gemordet“ und stellt im Manifest „Teutschland und die Revolution“ (1819) eine weitere Verurteilung der politischen Reaktion vor. Dem Haftbefehl der preußischen Regierung kann Görres noch rechtzeitig durch seine Flucht nach Straßburg (ab 1821 in Aarau) entgehen.
1824-1827 redigiert er für die Zeitschrift Der Katholik kirchliche Artikel. Aber auch mystische Themen interessieren ihn: Es entstehen Der Heilige Franciskus von Assisi, ein Troubadour (1826) sowie sein Abriss zur christlichen Mystik, die Einleitung zu Melchior von Diepenbrocks Heinrich Suso's, genannt Amandus, Leben und Schriften (1829).
1827 wird Görres von König Ludwig I. als Professor für „Allgemeine und Litterärgeschichte“ nach München berufen, eine Berufung, die von Ringseis angeregt, von Sailer maßgeblich gefördert worden ist. In München ist Joseph Görres der zentrale Netzwerker der katholischen Spätromantik, sein Haus in der Schönfeldstraße der zentrale Treffpunkt für Gleichgesinnte („Görres-Kreis“: Döllinger, Baader, Ringseis, Jarcke u.v.a.), wiewohl auch nach Wien Kontakte bestehen (K. M. Hofbauer, A. Günther und F. Schlegel).
1836-1842 erscheint sein vierbändiges Hauptwerk Christliche Mystik, das aus intensiven Vorarbeiten und Gesprächen mit Brentano entsteht. Gegenwartsbezogen und wissenschaftlich eingekleidet soll Mystik Allgemeingut werden, den Katholizismus aufwerten; als „ein in den Heiligen sich spiegelndes Evangelium“ ist das Buch gleichzeitig Standardwerk für visionäre Erfahrungen, für Magie und Dämonologie.
Der Athanasius (1838) ist Görres' zweites wichtiges Werk aus der Münchner Zeit. Aufgebracht durch die über die Mischehenfrage ausgebrochenen Wirrungen (im Zuge der Verhaftung des Kölner Erzbischofs) beklagt Görres in seiner Protestschrift den Verlust der mittelalterlichen Einheit zwischen Kirche und Staat, den Sektengeist der Moderne, was die Schrift zum bedeutsamen Teil des politischen Katholizismus als Massenbewegung macht. Gleichzeitig tritt er darin „ganz allgemein für Geistes- und Gewissensfreiheit ein, für Toleranz und ökumenische Gesinnung“ (Otto Roegele). Die Entstehung der von seinem Sohn Guido Görres und dem Rechtslehrer Georg Phillips herausgegebenen Halbmonatszeitschrift Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland (1838) geht ebenso auf sein Bemühen zurück.
1839 wird Joseph Görres geadelt. Kurz vor Ausbruch der 48er-Revolution stirbt er am 29. Januar 1848 in München.
G[örres].' Werk wird von verschiedensten Disziplinen wahrgenommen; sein Kampf gegen jede Art von Machtmissbrauch beeinflusste die polit[ische]. Kultur in Deutschland nachhaltig. Ton u[nd]. Sprache seines konfessionell geprägten „prophetischen Journalismus“ lebten weiter im Denken Eichendorffs u[nd]. bewährten sich über den Kulturkampf hinaus als Waffe des christl[ichen]. Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Seine philolog[ischen]. Studien sind von bleibendem Interesse. (Wolfgang Frühwald & Irmgard Scheitler)
http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/G/Seiten/JosephGoerres.aspx, (13.07.2015).
Frühwald, Wolfgang; Scheitler, Irmgard (2009): Görres, Joseph von. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston. URL: http://www.degruyter.com/view/VDBO/vdbo.killy.1959, (13.07.2015).
Grassl, Hans: Brentano und Görres im spätromantischen München. In: Weber, Albrecht (Hg.): Handbuch der Literatur in Bayern. Vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Geschichte und Interpretationen. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 289-300.
Moisy, Sigrid von (Hg.) (1984): Von der Aufklärung zur Romantik. Geistige Strömungen in München [Ausstellung München 26.6.-24.8.1984] (Ausstellungskataloge / Bayerische Staatsbibliothek, 29). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 182-189 u.ö.
Roegele, Otto: Görres, Johann Joseph von. In: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 532-536, http://www.deutsche-biographie.de/ppn11854019X.html, (13.07.2015).