Info
Geb.: 15. 4.1941 in Augsburg
Gest.: 19.8.2024 in Berlin
© Klaus Stiller (c/o Archiv der 13. Weidener Literaturtage "Nachkriegsdeutschland in der deutschen Literatur" vom Mai 1997)
Namensvarianten: Saul R. Kleist
Wirkungsorte:
Lauingen

Klaus Stiller

Klaus Stiller wird in der „Bert-Brecht-Stadt“ Augsburg als Sohn eines oberschlesischen Arztes und einer fränkischen Mutter geboren, wo er auch aufwächst. Zuerst besucht er das Staatliche Realgymnasium in Augsburg, macht als Vierzehnjähriger bereits erste schriftstellerische Versuche, absolviert aber sein Abitur 1961 in Lauingen/Donau. Klaus Stiller studiert bis 1968 Germanistik und Romanistik in München, Grenoble und Westberlin – letztlich wohl bedingt durch die „Innerdeutsche Grenze“ („Ringsum stoßen wir hart / an die Grenze anderer Völker. / Im Innern aber / sind wir begrenzt von uns selbst.“). Die ersten drei Semester studiert er in München außerdem Theaterwissenschaft und verdient sich etwas Geld als Komparse in Fernseh- und Spielfilmen.

Nach einem Semester in Grenoble wird er – vermutlich aufgrund der Annahme seines ersten ernstzunehmenden Prosatextes „Bericht“ für die Zeitschrift Akzente (Heft 6, 1963) – ins neugegründete Literarische Colloquium von Walter Höllerer in Berlin eingeladen. Als einer von 14 Nachwuchsautoren (darunter Peter Bichsel, H.C. Buch, Nicolas Born, Hubert Fichte, Elfriede Gerstl, H. P. Piwitt) kann er für ein knappes halbes Jahr mit bereits arrivierten Schriftstellern gemeinsam „Prosaschreiben“ diskutieren und probieren; die damaligen Bemühungen sind in der gleichnamigen LCB-Publikation Prosaschreiben und in dem von Höllerer initiierten Kollektivroman Das Gästehaus dokumentiert.

Im April 1966 nimmt Stiller in Princeton/USA an der Tagung der Gruppe 47 teil, wo er neun Gedichte liest und unter dem Anagramm-Pseudonym Saul R. Kleist über die Tagung einen Artikel für die Münchener Abendzeitung schreibt. Über die viel bedachte Handke-Nummer schreibt er zudem einen Essay für das erste Handke-Heft von Text und Kritik (Nr. 24, Oktober 1969).

Von 1968 bis 1980 ist er freier Schriftsteller, von 1981 bis 1993 Literaturredakteur im Sender RIAS. 1994-1996 leitet Klaus Stiller die Literatur-Redaktion des Deutschlandradios in Berlin.

Als erste Buchveröffentlichung erscheint 1966 sein Erzählband Die Absperrung, 1970 H. Protokoll, in dem der Autor parodierend Hitler bei seiner Lieblingsbeschäftigung zeigt, beim Reden. 1972 sorgt sein Tagebuch eines Weihbischofs für Furore: eine literarisch-kritische Annäherung an den (realen) „Fall Matthias Defregger“ mit einer Rückblende in die Abruzzen 1944. 1976 folgen die (skurillen) Die Faschisten. Italienische Novellen, in denen u.a. der Nationalist Ettore Tolomei durch das damals noch österreichische Tirol wandert und die dortigen Ortsnamen italianisiert. 1977 folgen die Satiren Traumberufe. Der Erzähler Klaus Stiller „entlarvt durch absolute, an Identität grenzende Sprachimitation, besonders des katholischen Tonfalls“ (Elisabeth Endres), aber besonders durch seine scharfe zeitkritische Tendenz.

1980 öffnet sich Klaus Stiller mit seinem einfühlsamen, autobiografischen Roman Weihnachten – der das Ende des Zweiten Weltkrieges in Schwaben skizziert – einem breiteren Leserkreis. Die prosaische Fortführung ist 1986 Das heilige Jahr. Wie die Westheimer den Winter vergaßen. Eine katholische (schwäbische) Kindheit um 1950, dem von der katholischen Kirche verkündigten „Heiligen Jahr“. Der Erzählband Dem Dichter – sein Vaterland erscheint 1991, Vom Volke der Deutschen. Eine heillose Legende 2000. 2012 entsteht der Einakter Hochverehrter Herr Geheimrat.

Auch als versierter Herausgeber hat sich der Schriftsteller und Medienjournalist Klaus Stiller – z.T. gemeinsam mit seiner Frau, einer Italienerin – mit Italienische Erzählungen des 20. Jahrhunderts (1982) und dem Lexikon Die Klassiker der italienischen Literatur (1988) einen Namen gemacht. Als Übersetzer ist er ebenso tätig (Eduardo de Filippo, Huh, diese Gespenster und Der große Zauber, 1977; Luce D'Eramo, Solange der Kopf lebt, 1976). Eine bibliophile (limitierte) Rarität ist sein Gedichtband Ach, das ferne Land (mit Original-Holzschnitten von Wolfgang Jörg) in der edition der Berliner Handpresse (1992). Daneben sind Hörspiele, zahlreiche Radio-Features und Beiträge in Anthologien (Literaturbetrieb in Deutschland, 1971; Vaterland, Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1945 bis heute, 1979) sowie Literaturzeitschriften entstanden.

Obwohl „die gesellschaftskritisch verstandene Sprachkritik“ sich „auf einer ständigen Gratwanderung zwischen wohlfeiler Parodie und angestrengter Didaktik“ (Thomas Reschke) bewegt, wird seine Sozial- und Gesellschaftskritik aufdeckende Literatur – die jener von F. C. Delius ähnelt – kaum mit Preisen bedacht. 1975 erhält Klaus Stiller das „Arbeitsstipendium Villa Serpentara“ in Olevano/Italien, 1977 (für Die Faschisten) den Hermann-Hesse-Förderpreis  der Stadt Karlsruhe.

Im Mai 1997 ist Klaus Stiller offizieller Teilnehmer der 13. Weidener Literaturtage. Im Oktober 2006 nimmt er an der „Nachtlese – Bibliotheksnacht in Augsburg“ teil und liest in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg.

Der Autor ist Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland.

Am 19. August 2024 stirbt Klaus Stiller in Berlin.

Verfasst von: Bernhard M. Baron / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

Arnold, Heinz Ludwig (2004): Die Gruppe 47. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, S. 103.

Herbort, Heinz Josef: Innenwelt eines Weihbischofs. In: Die Zeit Nr. 52, 29.12.1972, URL: http://www.zeit.de/1972/52/innenwelt-eines-weihbischofs, (26.04.2013).

Kiwus, Karin (Hg.) (1996): Berlin – ein Ort zum Schreiben. 347 Autoren von A bis Z. Porträts und Texte, i. A. der Akademie der Künste mit einem Vorwort von Walter Jens. Berlin, S. 481f.

Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 2016/2017. 70. Jg. Bd. 2. Verlag de Gruyter, München, S. 984f.

Platschek, Hans: Klaus Stiller, Die Faschisten. Mein Taschenbuch. In: Die Zeit Nr. 50, 07.12.1979, URL: http://www.zeit.de/1979/50/die-faschisten, (26.04.2013).

Reschke, Thomas: Stiller, Klaus. In: Munzinger Online/KLG - Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, URL: http://www.munzinger.de/document/16000000546, (26.04.2013).

Stiller, Klaus. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000015475, (26.04.2013).

Zimmer, Dieter E.: Hitler als Gefolgsmann Hitlers [Rezension zu H. Protokoll]. In: Die Zeit Nr. 39, 25.9.1970, URL: http://www.zeit.de/1970/39/hitler-als-gefolgsmann-hitlers, (26.04.2013).


Externe Links:

Literatur von Klaus Stiller im BVB

Hörprobe von Klaus Stiller (Tagung der Gruppe 47 in Princeton)